Paulus hat mit seinem Wirken und seinen Briefen das Christentum maßgeblich mitgeprägt. Dieser „neue Weg“ würde heute wohl ganz anders aussehen, hätte es Paulus nicht gegeben. - Aus der Serie "Wer nicht wagt ... Biblische Aufbruchserzählungen", Teil 1 von 5.
Die ältesten Schriften des Neuen Testaments stammen von Paulus. Sieben der so genannten „paulinischen Briefe“ wurden von ihm verfasst. Sie sind erste Quelle, wenn es um Angaben zu seiner Person geht. Im Brief an die Philipper schreibt er über sich selbst: „Ich wurde am achten Tag beschnitten, bin aus dem Volk Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, lebte als Pharisäer nach dem Gesetz, verfolgte voll Eifer die Kirche und war untadelig in der Gerechtigkeit, wie sie das Gesetz vorschreibt.“ (Phil 3,5–6) Er war also nach eigenen Angaben ein Eiferer für den pharisäischen Glauben.
Wie viele andere Juden, die nicht im Stammland des jüdischen Glaubens wohnten, sondern in der Diaspora (= Zerstreuung im Römischen Reich), hatte Paulus von Anfang an den Doppelnamen „Saulus/Paulus“. Wenn die Eltern sich für den jüdischen Namen Saulus entschieden, so spricht das für ein gläubiges Elternhaus – war doch Saul der erste König Israels, ebenfalls aus dem Stamm Benjamin. Die Aussage „vom Saulus zum Paulus“ trifft damit nicht zu.
Berufung
Paulus erfährt eine innere Berufung, die er selbst im Brief an die Galater so beschreibt: „Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir (griech.: en emoi = in mir) in seiner Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige, da zog ich keinen Menschen zu Rate.“ (Gal 1,15–16) Der Evangelist Lukas gestaltete dieses innere Berufungserlebnis des Paulus rund 30 Jahre später dann zu einer „Berufungserzählung“ aus (vgl. Apg 9,1–22).
Paulus geht mit seiner neuen Sichtweise nicht sofort zu der Stammgruppe der an Christus Glaubenden nach Jerusalem, sondern zieht sich zunächst in die Wüste zurück: „Ich ging auch nicht sogleich nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog nach Arabien ...“ (Gal 1,17). Ein so massiver Einschnitt im Glauben braucht eine Zeit der Reifung und Vertiefung. Erst drei Jahre später geht Paulus erstmals nach Jerusalem.
Der Weg ins Heidentum
Paulus macht die Erfahrung, dass die Botschaft von Jesus als Messias bei den Heiden wesentlich offener aufgenommen wird als unter seinen jüdischen Glaubensgeschwistern. Er hat ja selbst die Erfahrung gemacht, dass man für anderes jede Offenheit verliert, wenn man sich für eine Sache zu sehr ereifert. Paulus überschreitet mit der Verkündigung im Heidentum eine innerliche und äußerliche Grenze, deren Tragweite man heute gar nicht hoch genug einschätzen kann. Er ist maßgeblich daran beteiligt, dass sich die „Säulen“ der Jerusalemer Christengemeinde, also die wichtigsten Repräsentanten, mit ihm einigen und es für Menschen aus dem Heidentum möglich ist, Christ zu werden – ohne vorher zum Judentum zu „konvertieren“.
Gemeinschaft
So konnten alle Christ/innen – aus dem Judentum und aus dem Heidentum – an einem Tisch Platz nehmen und gemeinsam Herrenmahl feiern. Im Judentum war zuvor eine Tischgemeinschaft mit Heiden ausgeschlossen. Christlicherseits war die Trennung am Tisch damit überwunden. Dass das nicht ohne Probleme und Widerspruch vor sich ging, erzählen so manche Briefabschnitte (z. B. Gal 2,11–21) … Letztlich hat sich jedoch der Weg des Paulus durchgesetzt.