„Trauben, messingfarben, Land, Schnee, Winter, Sonne, rostfarben, Reigen, Herbst, Farbenspiel“Mit diesen Worten musste der Text geformt werden.
In Nummer 43 luden wir in der Rubrik „Kopftraining“ ein, aus vorgegebenen Wörtern einen Text zu verfassen. Die Wörter waren dem Text eines berühmten Schriftstellers entnommen.
Die Begeisterung der Leser/innen mitzumachen war groß. 47 Einsendungen erreichten uns. Drei veröffentlichen wir heute. Rechts lesen Sie den Originaltext.
Am Weinstock hängen die Trauben reif. Dazwischen Laub, grün, braun und messingfarben eingefärbt. Überall ist Ernte im ganzen Land. Die milden Gaben, die wunderbaren Farben, die laue Luft, ja der Herbst hat seinen eigenen Duft. Lass dich verzaubern durch der Farben Kraft, ehe der Schnee dem Ganzen ein Ende macht. Der Winter eilt oft schnell herbei. Drum genieße die Sonne, den Wind. Der spielt mit rostfarbenem Laub noch geschwind. Öffne die Augen und tanze mit den bunten Reigen. Denn der Herbst geht zu Ende und Kälte und Eis bringen uns die Wende. Danke Gott für das Leben, sieh’ her, es ist so viel, erkenne den Ewigen im bunten Farbenspiel.
Christine Dammerer, Dietach
Die Trauben sind reif und die Weinlese ist in vollem Gange. Das Weinlaub ist schon messingfarben verfärbt. Nebel zieht über das Land. Heute morgen roch es sogar schon ein bisschen nach Schnee. Es wird uns ein langer Winter prophezeit. Aber noch schickt die Sonne ihre warmen Strahlen und lockt uns ins Freie. Sträucher und Bäume leuchten rostfarben und sind ein schöner Kontrast zu den noch grünen Wiesen und umgepflügten, braunen Feldern. Im plötzlich aufkommenden Wind tanzen die herabfallenden Blätter einen Reigen. Welche Gnade, diesen schönen Herbst noch genießen zu dürfen! Meine Augen können sich nicht satt genug sehen an diesem Farbenspiel.
Berta Pehersdorfer, Ottensheim
Sanfte Hügel. Trauben schenken messingfarbenen Wein. Einhalt und Ruhe. Es ist spät im Land. Schnee benennt den Winter. Das Leben schläft. Die Sonne dämmert. Ein rostfarbener Glanz liegt über der Welt. Ende des jährlichen Reigens. Herbst. Ein Farbenspiel erleuchtet den Grund unserer Seele. Ahnungsvoll.
Roland Aichinger, Rohr im Kremstal
Das Buch gewann Brunhilde Mühlberger, Scharten
DAS ORIGINAL
Oktoberwende hat längst die letzten Trauben von den Reben gelöst, aber noch glühen die Weingärten in einem sanften und doch feurigen Licht. Blatt an Blatt leuchtet blank und messingfarben und immer, wenn eine sanfte Brise die zitternden umlegt, meint man, sie klingen zu hören wie feine metallene Scheiben.
Herbstwinter ...
Dunkler sieht der Herbst ins Land. Die Berge haben schon Schnee auf dem Scheitel, doch ihre Brust liegt noch frei und grün und leuchtend umschnürt ihre tiefe Hüfte der farbige Gurt der Weinberge. Ganz weit scheint der Winter noch. Nur die Höhen, die weiter in die Ferne schauen, scheinen ihn bereits erspäht zu haben, das Tal freut sich tief der Sonne und wird nur feuriger in den herbstlichen Farben. Wie brennende Büschel flackern einzelne Bäume rote Warnung ins Land, rostfarben leuchten die Stämme und das heitere Gelb der welken Blätter mengt sich fröhlich ins dunkle Grün der Matten. Unwandelbar aber schließt oben der blaue Himmel mit einem weiten, voll ausgespannten Klang den bunten Reigen der Farben. Es ist ein Herbst ohne Ende, ein Herbst ohne Bitterkeit, der hier langsam Winter wird und – man fühlt es schon – ein milder geruhiger Winter, ohne Härte und Harm.
Stefan Zweig, Herbstwinter in Meran, aus: Länder, Städte, Landschaften, Fischer TB2286 (nicht lieferbar).