„Jona! Jona!“ Der Ruf Gottes an den biblischen Propheten, wie ich ihn mir vorstelle, erinnert mich immer an den Salzburger „Jedermann“. Eine Stimme aus einer anderen Welt ruft, gibt einen Auftrag. Der Auftrag ist unangenehm.
Aus der Serie „Wer nicht wagt ... Biblische Aufbruchserzählungen", Teil 3 von 5
Ausgabe: 2016/03, Ruf Gottes, Jona
19.01.2016 - Martha M. Leonhartsberger
Beim Namen gerufen zu werden, hat viele Facetten: Es kann ein sehr zärtlicher Ruf sein, von Liebenden ins Ohr geflüstert. Oder wie in der Schule: Oje, jetzt will er etwas von mir, das ich nicht weiß oder kann. Mein Name kann über die Straße gerufen sein, weil ein alter Bekannter mich erspäht hat und sich freut, mich wieder einmal zu sehen. Oder möglicherweise ein Befehl beim Bundesheer, dem ich nicht zu widersprechen habe. Es kann aber auch ein Auftrag sein – so wie im Buch Jona: ein unangenehmer Auftrag, den ich an niemand anderen delegieren kann. Ich bin gemeint. Nur ich kann das so gut. Niemand anderer hat dafür Zeit oder ist besser geeignet als ich. In mir aber regen sich innere Widerstände. Was mache ich mit einem Auftrag, der mir zutiefst gegen den Strich geht? Ich kann dabei nur verlieren, setze mich womöglich selber einer Gefahr aus. Eine schlechte Nachricht überbringen! Wer tut das schon gerne freiwillig?!
Zum Davonlaufen!
Ich könnte so tun, als ob … Das geht meist nicht lange gut. Das lässt an die beiden Söhne im Gleichnis Jesu denken, die von ihrem Vater in den Weinberg geschickt werden (Mt 21): Einer der beiden sagte ja, ging aber nicht. Oder an Mt 5,37: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.“ Aber einen Versuch wäre es wert. Vielleicht gewinne ich damit Zeit, und das Problem erledigt sich von selbst. Jona macht sich auf den Weg – doch bewusst in die falsche Richtung. Es ist zum Davonlaufen! Die biblische Jona-Erzählung kreist um solche Fragen und Themen. Dass es keine historische Geschichte ist, spielt eigentlich keine Rolle, wenn man das Buch Jona als inneren Prozess sieht, dem wir Menschen immer wieder ausgesetzt sein können. Die gewaltigen Bilder und Motive der Geschichte sprechen eine eigene Sprache, die weit über eine oberflächliche Geschichtlichkeit hinausgeht: Die Ablehnung einer Aufgabe, die Flucht, das Verschlucktwerden, das Meer, das Schiff, der Sturm, die Seenot, das Ausgespucktwerden, die Suche eines Schuldigen, die Umkehr, die Enttäuschung des Jona, der Wurm im Rizinusstrauch, die Größe der Barmherzigkeit Gottes.
Verbindungen zwischen Jona und Jesu
Schon früh wurden Verbindungslinien zwischen dem Buch Jona und dem Leben Jesu gezogen: „Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Innern der Erde sein.“ (Mt 12,40) In diesem Sinn sind auch Darstellungen von Jona, der von einem großen Fisch verschluckt und wieder ausgespien wird, in Kirchen zu deuten.
Vom Herrn kommt die Rettung
In der Zeit der Todesnot im Fischbauch betet Jona ähnlich wie Jesus (vgl. Jona 2): „In meiner Not rief ich zum Herrn, und er erhörte mich. Aus der Tiefe der Unterwelt schrie ich um Hilfe, und du hörtest mein Rufen. Du hast mich in die Tiefe geworfen, in das Herz der Meere; mich umschlossen die Fluten, all deine Wellen und Wogen schlugen über mir zusammen. Das Wasser reichte mir bis an die Kehle, die Urflut umschloss mich. Doch du holtest mich lebendig aus dem Grab herauf, Herr, mein Gott. Ich will dir opfern und laut dein Lob verkünden. Was ich gelobt habe, will ich erfüllen. Vom Herrn kommt die Rettung.“