Zum Foto: Notfallseelsorgerin und Theologin Maria Eicher und KIT-Einsatzleiterin Felicitas Deutsch waren während der Hochwasserkatastrophe mehrmals im Einsatz.
So beispiellos in der jüngeren Geschichte die Katastrophe ist, so beispiellos ist die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Die Leute helfen mit Geld, Da-Sein und Zupacken. Weit über zehntausend Helfer/innen von Feuerwehr, Rotem Kreuz, Bundesheer, Nachbarschaft und Freundeskreis waren und sind im Einsatz. Erste materielle Hilfe kam schon an. Viele bieten spontan Mithilfe an. Etwa Flüchtlinge der Volkshilfe oder Pfadfinder/innen, die bei Aufräumarbeiten helfen. Das Rote Kreuz steht mit einem Kriseninterventions-Team Menschen zur Seite, die in dieser Situation psychisch Schweres zu tragen haben. Auch Notfallseelsorger/innen kümmern sich um die Menschen. Sie tun, was Bischof Aichern neben der materiellen Hilfe als wichtig betont hat: Zuhören und Trost spenden.
Da sein, Tee machen, zuhören
In Krisenfällen sind sie da: das Krisen-Interventions-Team (KIT) und die Notfallseelsorger/innen
Es ist zwei Uhr früh. Zwei ältere Frauen sollen ihr Haus verlassen. Sie weigern sich. Eine “KIT“-Mitarbeiterin wird gerufen. Das Gespräch hilft. Die Frauen nehmen Abschied, steigen ins Boot.
Die Bewohner/innen der Redersiedlung in Ansfelden sind seit Donnerstag mit dem Ausräumen ihrer überschwemmten Häuser und dem Wegwerfen ihres Hab und Guts beschäftigt. Die hereinstürzende Flut – ausgelöst u.a. durch den Bruch des Kremsdammes – hat in der Nacht von Montag auf Dienstag alle überrascht. Die meisten konnten bei ihrer überstürzten Flucht nichts mitnehmen.
„Das, was ich anhabe und ein zweites Paar Schuhe. Das ist alles, was mir geblieben ist. Das Haus ist völlig zerstört. Die Versicherung zahlt mir 100.000 Schilling. Ich bin Alleinverdienerin. Ich weiß nicht, wie das gehen soll“, berichtet Renate Ludwig aus der Redersiedlung. Die Frau wirkt sehr gefasst. Kein böses Wort über irgendwen. Kein Vorwurf. Die Verzweiflung wird von den körperlich anstrengenden Aufräumungsarbeiten in Schach gehalten. Als Renate Ludwig die KIT-Mitarbeiterin Monika Freundlinger erblickt, läuft sie zu ihr hin, erzählt ihr, dass ein Helfer soeben einen Kreislaufkollaps hatte. Was tun? Monika Freundlinger holt den Arzt, der hier schon die ganze Zeit im Einsatz ist. Organisiert eine Mitfahrgelegenheit für den erschöpften Helfer ins „Anton Bruckner Center“ unterhalb der Pfarrkirche, das Kulturzentrum als Notquartier für alle Evakuierten.
Im Nachbarhaus bricht eine Frau zusammen. Sie liegt schwer atmend am lehmigen Boden. Bis zum Eintreffen der Rettung bleibt KIT-Mitarbeiterin Freundlinger bei der Familie, klärt ab, was vorgefallen ist und weist die Einsatzkräfte beim Eintreffen dementsprechend ein.
Erkennen, was zu tun ist
„Es ist gut, dass jemand da ist, an den man sich in diesem Chaos wenden kann“, sind die von der Flut überraschten Bewohner/innen froh über diese Unterstützung. Felicitas Deutsch ist Einsatzleiterin des KIT-Teams und organisiert die Einsätze ihrer Mitarbeiter/innen. Sie hatte selbst einen Einsatz, bei dem sie des Nachts zwei ältere Frauen zum Verlassen ihrer Häuser bewegen sollte. Zuhören und „Zureden“ halfen: Die Frauen konnten Abschied nehmen und evakuiert werden. Rechtzeitig bevor die Flut alles vernichtete.
Was sind die Aufgaben der Krisenintervention? „Erkennen, was zu tun ist - Zuhören, ins Gespräch kommen - die nächsten Schritte abklären, den Betroffenen helfen, wieder ins ‚Normale‘ zu kommen.“, erklären Felicitas Deutsch und die Notfallseelsorgerin Maria Eicher im Interview. Das Krisen-Interventions-Team des Roten Kreuzes und die ökumenische Notfallseelsorge arbeiten zusammen, das gilt für die Ausbildung ebenso wie für die Einsätze im Krisenfall. Beide Teams waren dieser Tage unermüdlich - und natürlich ehrenamtlich - im Einsatz.
Notfallseelsorgerin Mag. Maria Eicher hat vergangene Woche dreimal in Ansfelden Dienst gemacht. „Ich schaue zunächst, was der Betroffen braucht. Das kann sein: einfach nur Dasein, Kaffee oder Tee machen. Rituelle Handlungen (z. B. Gebete) setzen wir nicht zu allererst. Man braucht unheimlich viel Einfühlungsvermögen und Zeit“, weiß Eicher. Die Notfallseelsorgerin weiß aus Erfahrung, dass Unterstützung in der ersten Zeit besonders wichtig ist. Wer Trauer annimmt und zulässt, wird besser mit dem Erlebten fertig. Spätere Krisen lassen sich dadurch vermeiden. Notfallseelsorgerin zu sein kann auch heißen, gemeinsam zu beten oder eine Schulter zum Anlehnen anzubieten. Eicher: „In Krisensituationen muss man nicht stark sein.“
Hilfe
Spenden-Aktion
Die Kirchenzeitung bittet gemeinsam mit der Caritas all jene, die von der Katastrophe verschont wurden, um ein Zeichen der Solidarität und einen sichtbaren Beitrag für die Hochwasseropfer. Wer selbst vom Hochwasser betroffen ist, kann sich an die jeweilige Pfarrkanzlei um Unterstützung wenden. Wie die Caritas hilft - Lesen Sie dazu den Bericht.