Es ist verstörend, mit welcher Selbstverständlichkeit der Begriff „Festung Europa“ aus der negativen in eine positive Verwendung übertragen wurde. Kommentar von Heinz Niederleitner
Noch vor wenigen Monaten kritisierte man damit jene, die glaubten, Europa vor den Flüchtlingsproblemen der Welt abkapseln zu können. Jetzt erhofft man sich davon „Rettung“ in der Flüchtlingskrise. Dass Politiker wie die Innenministerin diesen Begriff derzeit verwenden, hat vermutlich damit zu tun, dass sie sich ein Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung erhoffen, welches von solch einer Wortwahl ausgeht.
Interessant ist aber, dass dabei andere Aspekte des sprachlichen Bildes untergehen: „Festungen“ bieten nicht nur Schutz, sie können auch „Gefängnisse“ werden. Es geht nicht nur darum, dass wir 27 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Bewegungsfreiheit in Europa durch Kontrollen und Zäune einschränken. Es geht auch um eine geistige Einigelung, die sich in der Annahme zeigt, wir könnten globale Probleme aussperren. Denn wenn wir schon so unpassend (Flüchtlinge sind keine Belagerer!) mit einem militärischen Begriff hantieren, sei erinnert: Festungen bieten bestenfalls Schutz auf Zeit. Dass es plötzlich keine Flüchtlinge mehr gibt, ist nicht abzusehen. Und dass die umstrittene Vereinbarung der EU mit der Türkei eine langfristige Hilfe ist, darf bezweifelt werden. Die „Festungssicherheit“ kann offenbar sehr trügerisch sein.