So verschieden menschliches Suchen ist, so vielfältig sind Gottes Wege zum Menschen.
Auf Weihnachten hin sind wir meist eher bereit, etwas Zeit ohne Hektik zu verbringen, am Abend beim Adventkranz, beim Spazieren im ersten Schnee, bei Tee und Nüssen. Auf Weihnachten hin sind wir meist eher bereit, von unserem Besitz etwas abzugeben und Notleidende finanziell zu unterstützen. Achtsamkeit auf uns selbst und Achtsamkeit auf die Menschen, die mir zum Nächsten werden könnten – darin wird das christliche Gebot konkret: liebe Gott aus ganzem Herzen sowie deinen Nächsten und dich selbst. So können wir sagen: Gott zeigt sich uns, Gott wird für uns erfahrbar, wenn wir uns anderen Menschen und uns selbst zuwenden.
Für gläubige Juden und Christen ist Gott väterlich, barmherzig, allerbarmend, wie Juden im täglichen Morgengebet beten. Gott ist erfahrbar als Schöpfer und Behüter, als Mutter, die ihren Kindern das Leben schenkt und sie tröstet. Wenn Christen Jesus als Mensch und Gott glauben, dann sagen sie damit, dass im Handeln und Reden, im Leben und im Sterben Jesu Gott selbst erfahrbar wird. Wenn sich Jesus einer kranken Person zuwendet, sich hinneigt, ihn berührt oder sie aufrichtet, dann wird in genau dieser Handlung Gott erfahrbar. Wenn jemand nach der Folter am Kreuz noch verzeihen kann, dann zeigt sich darin, wie Gott selbst ist. Es ist unfassbar vielfältig, wie wir „Gott“ erfahren können, wie sich Gott uns zeigt. In der jüdisch-christlichen Tradition hat Joop Roeland in dem Buch „Die Stimme eines dünnen Schweigens“ (Quelle-Verlag Feldkirch 1992, S. 14f.) eine Sprache gefunden für diese Vielfalt, wie Gott sich uns – vielleicht – zeigt.
Wie uns Gott erscheint
Die Orte Die Zeichen Die Namen
Jabbok: Engel, kämpfend bis zur Morgenröte. Für die, die aushalten in der Nacht. Gott von Angesicht zu Angesicht: Er, der segnet.
Horeb: Brennender Dornbusch. Das Elend gesehen, den Klageschrei gehört. Für alle, die weinen: Ich werde da sein.
Wüste: Wolkensäule bei Tag für die Wegsuchenden. Feuer in der Nacht für die in der Finsternis. Er, der vorangeht.
Horeb, Berghöhle: Nicht im Erdbeben oder Sturm, im Feuer nicht mehr, sondern im Säuseln, kaum spürbar. Für die, die ein leises Zeichen verstehen: Stimme eines dünnen Schweigens.
Bethlehem: Glanz in der Nacht, Worte des Friedens, Kind in der Krippe. Für alle Wartenden: Immanuel, Gott mit uns.
Die Orte, die Zeichen, die Namen. Es sind in der Bibel „Orte“, an denen wir Gott begegnen, denn die Erfahrung Gottes ist konkret – zur Zeit der Bibel waren es unter anderem der Gottesberg, die Wüste, Bethlehem. Sie sind eingeladen, die biblischen Stellen zu den Strophen nachzulesen: Gen 32, 23–33; Ex 2, 23 – 3, 15; 13, 17–22; 1 Kön 19, 1–13; Lk 2, 1–20. Es sind „Zeichen“, an denen wir Gott erkennen können – alltägliche Zeichen: Nächte, in denen wir ringen und kämpfen anstatt zu schlafen, oder Wolken am Himmel, Sterne und Feuer, oder ein Kind, ein Neugeborenes. Wundern Sie sich nicht, wenn wir diese Zeichen leicht übersehen können. Oder denken Sie bei den Wolken am Himmel, bei jeder „Wolkensäule“ an den begleitenden Gott? Denken Sie bei den Sternen in der Nacht immer wieder daran, dass die Welt uns anvertraut ist? Es sind „Namen Gottes“ – so vielfältig, wie wir Menschen sind. Denn wir werden „Gott“ auf unsere Weise begegnen, im Leiden anderer, im offenen Ohr für andere, oder in unserem eigenen Schweigen, oder in der Sehnsucht, dass wir – wenigstens zu Weihnachten – ein bisschen so sind, wie uns Gott gedacht hat: Kinder, glänzend, in Frieden . . . Wir sind eingeladen, den Text weiterzuschreiben, mit unseren Orten, mit unseren Zeichen und mit unseren Namen für Gott. Vielleicht ist der eigene Ort, an dem Gott mir erfahrbar wurde, ein Kreißsaal oder ein Mittagessen mit der Familie, eine Nacht am Krankenbett oder Stunden der Angst und dann die Erlösung . . . Es sind unsere eigenen Zeichen, in denen wir Gott entdecken, es sind vielfältige Namen, mit denen wir Gott benennen.