Kernfrage der Kirche: Wird es genügend Priester geben?
Priesterrats-Sprecher Dr. Walter Wimmer: „Wir brauchen Priester um der Gemeinden willen“
Ausgabe: 2004/18, Walter Wimmer, Wimmer, Priestermangel, Priester, Kirche, Tugend, Hoffnung
27.04.2004
- Kirchenzeitung der Diözese Linz
„Ich lasse mir die Tugend der Hoffnung nicht nehmen“, meint Priesterrats-Sprecher Dr. Walter Wimmer im Gespräch mit der Kirchenzeitung.
Der Priestermangel wird zum drückenden Problem in vielen Pfarren. Dr. Walter Wimmer, Sprecher des Priesterrates im Gespräch mit der Kirchenzeitung.
KIZ: Am 2. Mai ist Tag der geistlichen Berufe. Wozu braucht die Kirche Priester?
Dr. Walter Wimmer: Zunächst möchte ich meine Wertschätzung für alle haupt- und ehrenamtlich tätigen Laien ausdrücken. Ihr Dienst entspricht der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils – als Volk Gottes mit dem allgemeinen Priestertum als Grundberufung, die aus der Taufe und Firmung kommt. Aber: Wir brauchen Priester und wir wollen Priester. Priester sind notwendig – ohne einem magischen oder klerikalen Verständnis von Priestertum das Wort zu reden.Das Priesteramt gehört zum Selbstverständnis der Kirche, die Zeichen und Werkzeug der Einheit mit Gott und der Menschen untereinander ist. Kirche verdankt sich nicht selbst, sie ist nicht eigenes Machwerk. Das Amt in der Kirche drückt die Unverfügbarkeit und darin die Zuverlässlichkeit der Gnade Gottes in Jesus Christus zu seinem Volk aus. Das Konzil sieht das Amt nicht nur auf die Eucharistie und auf die Sakramente konzentriert, sondern verknüpft es mit dem Leitungs- und Verkündigungsdienst. Ohne das sakramentale Amt durch Weihe kommt es zu einer theologischen „Schieflage“, wenn z. B. Wortgottesdienste – bei aller Wertschätzung derselben – nicht von der Eucharistiefeier unterschieden werden. Deshalb braucht es den lauten Ruf nach der sakramentalen Zurüstung derer, die in diesen leitenden Diensten Priester ersetzen sollen und doch nicht dürfen.
Das Priesteramt ist in der katholischen Kirche mit dem Zölibat verbunden. Reicht das aus?
Wimmer: Ich sehe im gelungenen Zölibat eine sinnvolle und erfüllende Lebensform, die ich in der Kirche nicht missen möchte und die auch in der heutigen Zeit durchaus entsprechende Wertschätzung erfahren sollte. Aber: Wir brauchen Priester um der Gemeinden willen. Wenn wir sie in der jetzigen Form nicht in der genügenden Zahl haben und wenn deshalb Gemeinden die Eucharistie, Quelle und Höhepunkt des Glaubens (Konzil), nicht mehr feiern können, besteht Handlungsbedarf: Unter anderem müssen wohl auf weltkirchlicher Ebene die veränderbaren Zulassungsbedingungen neu überdacht werden, um die für die Kirche konstitutive Eucharistie feiern zu können. Aus dieser Not heraus könnte so der Kirche eine bereichernde Amtsentfaltung geschenkt werden.Dass jede christliche Gemeinde ihren Priester hat, ist ein berechtigter Wunsch. Wir brauchen Priester um der Gemeinden willen – wohl auch in anderen, von der Lebensform und vom Geschlecht unabhängigen Formen.
In der Diözese Linz wurden Leitungsmodelle eingeführt, die eine stärkere Beteiligung der Laien vorsehen. Wird dabei das Priesteramt genügend gesehen?
Wimmer: Mein volles Ja zum eingeschlagenen jetzt möglichen Weg. Auch das Gebet um Priester ist sehr wichtig, denn Berufe sind nicht „machbar“. Das entbindet jedoch die Kirche nicht des eigenen Nachdenkens. In zehn Jahren wird auch bei uns die Not noch größer sein, sodass wir dringend auf neue Anstöße in der Amtstheologie hoffen. Ich erwarte mir von realitätsoffenen Bischöfen, dass sie sich in diesen Anliegen vernetzen und nicht vertrösten lassen mit dem Hinweis, dass weltweit die Anzahl der Priester gleich geblieben ist. Priester aus anderen Ländern einzusetzen, kann – bei allem Respekt und bei aller Dankbarkeit für sie – nicht die generelle Lösung sein.Die neuen Leitungsmodelle sind jetzt mögliche Lösungen, aber zugleich nur Übergangslösungen. Das Ehrenamt ist unentbehrlich, ist aber kein Ersatz für das Hauptamt; hauptamtliche Laien sind ganz wichtig, aber kein Ersatz für das Priesteramt. Es kann um kein Neben- oder gar Gegeneinander, sondern nur um ein Mit- und Füreinander gehen.
Wie ist die Stimmung unter den Priestern angesichts des Priestermangels?
Wimmer: Eine Umfrage unter Priestern zeigt, dass diese ihre Arbeit durchaus als „gute Arbeit“ erleben, die für sie und für andere Sinn macht. Trotzdem drückt der Schatten der voraussehbaren Entwicklung, wenn man etwa nach einem Nachfolger für die eigene Gemeinde sucht.Ich lasse mir die theologische Tugend der Hoffnung nicht nehmen, denn der Heilige Geist ist sicher mit im Spiel, auch wenn innerkirchlich manches nur mühsam weitergeht. Wir müssen den Mut zu einer gewissen Reduktion unserer Dienste haben und Entlastung von Verwaltungsaufgaben anstreben. Qualitäten der Leitungskompetenz und der Teamfähigkeit gehören jedoch wesentlich zu unserem Beruf.Persönlich erlebe ich meinen Beruf sehr ansprechend und sinnvoll und ich würde auch heute jedem, der die Berufung verspürt, sagen, dass es ein sehr erfülltes Leben ist. Ich erfahre als Priester in unseren Pfarrgemeinden – mehr als in anderen Bereichen und als in der medialen Berichterstattung über die Kirche – eine große Freiheit im Handeln, eine hohe Kultur des Ernst- und Annehmens und das redliche Bemühen um Dialog.Ich erlebe meinen Beruf als äußerst erfüllend und sinnvoll und ich würde auch heute jedem Menschen sagen, dass das ein erfülltes Leben ist. Die Freiheit des Handelns ist in der Kirche groß, das Prinzip des Dialogs ist in der Kirche vermutlich eher gegeben als in vielen anderen Bereichen. Es gibt in der Kirche eine hohe Kultur des Ernstnehmens und Annehmens, auch der Selbstverwirklichung. Die Zuverlässigkeit der Gnade Gottes gegenüber seinem Volk ist mehr, als wir machen – ist mehr als nur Macht.