Ein TV-Bericht beginnt: Eine Orgel erklingt. Das hat was mit Kirche zu tun, weiß der Zuseher. Orgelklang wird heute mit „Heiligem“ verbunden. Das war nicht immer so.
KIZ: Die Orgel hat ihre Laufbahn auf Jahrmärkten als Zirkusinstrument begonnen und ist im Mittelalter in den Kirchenraum übersiedelt. Warum wurde die Orgel als „heilige“ Maschine bezeichnet?
Peter Paul Kaspar: Die Orgel ist eine Klangerzeugungsmaschine. Der erste Musikautomat in der Geschichte, der mehr „Lärm“ erzeugen kann als ein großes Orchester. Sie ist das variationenreichste Instrument von allen. Ich war schon als Kind fasziniert von dieser überwältigenden Fülle.
Die Orgel erlebte in der Kirchengeschichte viele Höhen und Tiefen. In der Barockzeit galt sie als „Königin der Instrumente“. Kirchenmusik hatte generell einen hohen Stellenwert. Wie sehen Sie die Entwicklung heute?
Musik wird heute oft als Ornament, als Klangtapete verwendet, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen. Das genügt nicht. Musik ist nicht nur Teil der Liturgie, Musik ist Liturgie. Der Liturgie wird viel Aufmerksamkeit geschenkt, der Musik vergleichsweise wenig. Musik muss Gott nicht einfangen, Musik kann Gott umspielen. Organisten sind Akteure, die in einer anderen Sprache der Liturgie predigen. Dementsprechend sollten sie auch vorbereitet sein.
Sie haben schon einmal kritisiert, dass die meisten Pfarren mehr Geld für den Blumenschmuck aufwenden als für die Musik. Führt die Kirchenmusik ein Schattendasein?
Der Stellenwert der Kirchenmusik ist zu gering. Und: Geld ist ein Gradmesser für Wertschätzung.
Wie sehen Sie die Zukunft der Digital-Orgel, die verstärkt – zuletzt in der Kirche im Wagner-Jauregg Krankenhaus – Einzug findet?
Die Digital-Orgel soll als eigenes Instrument weiterentwickelt werden – und nicht ein Imitat der Pfeifenorgel sein. In kleinen Kirchen und Kapellen ist sie durchaus vorstellbar, in größeren Kirchen würde ich aber eine Pfeifenorgel bevorzugen.
Tipp: Anlässlich des Bertholdfestes referiert Prof. P. P. Kaspar zum Thema: „Musikalisches Gotteslob. Deine kleine Theologie zur Orgel, der Königin der Instrumente“, 27. Juli, 16.30 Uhr. Das Fest findet von 25. bis 27. Juli in Garsten statt.