Bischof Weberberger ist überzeugt: Der neue Papst wird die Theologie der Befreiung schätzen, wenn er sie in Brasilien vor Ort in den kleinen Gemeinden kennen lernt. „Der Papst soll so bald wie möglich kommen.“
An Brasilien führt kein Weg vorbei. Mit 151 Millionen Katholiken ist es das Land mit den meisten Kirchenmitgliedern. Der oberösterreichisch-brasilianische Bischof Richard Weberberger von Barreiras hält es daher für wichtig, dass Papst Benedikt XVI. bald nach Brasilien kommt: „Er wird die Kirche von Brasilien schätzen, wenn er in Kontakt mit der Basis tritt, den einfachen Menschen. Denn die Theologie der Befreiung lernt man nicht durch Bischöfe oder Theologen kennen, sondern durch die Begegnung mit dem Volk. Als Präfekt der Glaubenskongregation konnte er diese Erfahrung nicht haben“, nimmt Weberberger den neuen Papst in Schutz: „Ich halte ihn aber für einen sehr klugen Mann, der weiß, dass diese Erfahrungen für eine gute Entwicklung der Kirche notwendig sind.“
Hoffentlich kein simpler Konsens
„Durch das kurze Konklave haben die Kardinäle Papst Benedikt XVI. eine starke Autorität gegeben und ein starkes Zeichen der Einheit der Kirche gesetzt“, analysiert Bischof Weberberger: „Ich hoffe aber dass das kein simpler Konsens war und dass die Kardinäle im Vorfeld des Konklaves die Situation der Kirche klar angesprochen haben.“ Für Bischof Weberberger gibt es zwei offene Fragenkomplexe, mit denen sich die Kirche und der neue Papst unbedingt und unverzüglich beschäftigen müssen: „Das eine ist der Themenkreis Kollegialität der Bischöfe und damit zusammenhängend die bisherige Praxis der Bischofsernennungen. Zweitens sind einige Aspekte der kirchlichen Sexualmoral zu überdenken. Ich nenne hier die Stichworte Empfängnisverhütung und Aids.“
Ein Ratzinger-Buch als Schatz
Bischof Weberberger hat Kardinal Ratzinger mehrmals persönlich getroffen, vor allem schätzt er seine Bücher: „Sie sind scharfsinnig und immer bereichernd, auch wenn man nicht in allem übereinstimmt. Die Lektüre seiner Bücher öffnet immer neue Horizonte: theologisch, sozial und spirituell. Man spürt die große Erfahrung, die er hat.“ Dass der neue Papst aus europäischer Perspektive schreibt, stört Bischof Weberberger nicht: „Man muss es mitdenken, aber es ist legitim, dass jeder Mensch seine eigenen Zugänge hat.“ Ratzingers „Einführung ins Christentum“ ist eines der wenigen Bücher, die sich Bischof Weberberger von Österreich nach Brasilien mitgenommen hat. Und dieses Buch begleitet ihn seit beinahe dreißig Jahren bis heute.