In seinen Anfängen war der Hut ein Standeszeichen. Später zeigte er die Gesinnung seines Trägers, bis er schließlich die Rolle eines modischen Acessoires bekam. Der Hut hat ereignisreiche Zeiten hinter sich.
Ausgabe: 2016/27
05.07.2016 - Brigitta Hasch
Für Thekla Weissengruber sind alte Hüte alles andere als wertloser Kram. Beim Anblick der Sammlung, die sie im Laufe der Jahre für das OÖ. Landesmuseum zusammengetragen hat, gerät sie ins Schwärmen. Und sie weiß zu jedem Stück eine faszinierende Geschichte.
Hut-Geschichten
Der Jodlhut, ein Spitzhut, der etwa aus den Jahren 1625 bis 1630 stammt, ist das älteste Stück der Sammlung. Der Jodlhut wurde von den Bauern in der Zeit der Bauernkriege getragen. „Unser Exemplar wurde auf einem Dachboden in Hartkirchen gefunden und ist schon seit 1874 im Besitz des Schlossmuseums“, weiß Thekla Weissengruber.
Aus dem späteren Schlapphut entwickelten sich im Laufe der Zeit Zweispitz und Dreispitz. Diese wurden von Frauen und Männern als Regen- und Schattendach getragen.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts tauchten die ersten Strohhüte auf, ursprünglich als Arbeitskleidung der Landbevölkerung. Aber auch adelige Frauen trugen bei höfischen Schäferidyllen einen flachen Strohhut.
Vorgaben durch die Kleiderordnung
„Schon um das Jahr 900 galten allgemein Kleiderordnungen, an die man sich zu halten hatte“, erklärt die Kuratorin. „Kaiser, König, Edelmann, Bürger, Bauer, Bettelmann – das ist ein Spruch, der das Standesdenken von damals verdeutlicht. Um das Ordnungssystem im Staat zu erhalten, gab es diese optische Abgrenzung durch die Standeskleidung.“ Während sich der Adel mit bunten, edlen Stoffen schmücken durfte, waren für das einfache Volk grobe Stoffe in Naturfarben Vorschrift.
Im Zuge der französischen Revolution erlangte diese aufgezwungene Symbolik der Kleidung starken politischen Charakter. „Männer mit Zylindern – als Zeichen des Bürgertums – erhoben sich gegen den Adel“, erklärt die Expertin. Auch die Studenten der 1848-Revolution bedienten sich des Zylinders oder des Kalabresers, um damit ein politisches Zeichen zu setzen.
Hut-Moden
Mit der Aufhebung der Kleiderordnung durch Kaiserin Maria Theresia entwickelten sich aus den Standeskleidungen Trachten, die Kopfbedeckungen wurden mehr und mehr zum Ausdruck der Persönlichkeit. Vom Korsett befreit trugen die Damen zu ihren Empirekleidern kleine Schuten. Diese Hütchen mit einem hohen Kopfteil und breiter Krempe bedeckten zwar immer die Ohren, ließen aber an der Stirn ein paar Locken durchblinzeln. Es wurde entweder unter dem Kinn gebunden oder mit einer Hutnadel festgesteckt.
Der Strohhut war auch im 19. Jahrhundert beliebt, er bekam große Krempen und wurde mit Tüll, Blumen oder anderen Garnituren versehen. Der in Florenz aus besonderem Stroh angefertigte Florentiner ist der bekannteste. Insgesamt passte sich die Hutform immer mehr der Mode an.
Herrenhüte
Im 19. Jahrhundert dominierte der Zylinder in den verschiedensten Formen. Der bekannte Klappzylinder, der so genannte Chapeau Claque, wurde 1837 in Paris erfunden. Der Bowler, auch als Melone bekannt, kam etwas später aus England. Auch Herren entdeckten die Strohhüte, sie hatten eine steife, kleine Krempe und meist ein Hutband.
1882 wurde der Homburger, ein eleganter, steifer Filzhut, extra für Prince Edward angefertigt. Diesen eleganten Herrenhut trug auch der frühere oberösterreichische Landeshauptmann Heinrich Gleissner gerne.
Wiener Werkstätten
„Leider haben wir aus dieser Zeit kein Exemplar in unserem Haus“, beklagt Thekla Weissengruber, „denn das, was etwa Emilie Flöge damals getragen hat, war schon sehr einzigartig und extravagant.“
Die Stellung der Frau und ihr Selbstbewusstsein spiegelt sich auch in der Hutmode wider. In den Zwanziger Jahren wurden die Kopfbedeckungen immer gewagter, Frauen trugen auch weibliche Varianten von Männerhüten und zogen sie etwas schief ins Gesicht.
Ende und Neuanfang der Hutmode
In den 50-er und 60-er Jahren waren es Stilikonen wie Audrey Hepburn oder Jackie Kennedy, die die Hutmode prägten. Große, flache Tellerhüte oder die Pillbox waren oft zu sehen. „Dann kam aber der große Bruch“, sagt die Hutexpertin, „seit den 70-ern war es einfach nicht mehr chic, einen Hut zu tragen. Es galt als bieder und bürgerlich.“
Erst in den letzten Jahren zeigen sich viele Frauen wieder bewusst mit Hut. Am Abend, bei festlichen Anlässen oder bei den berühmten Pferderennen von Ascot erregen bunte und schrille „fascinators“ das Aufsehen der Menschen.