Geradlinigkeit gilt als eine hohe Tugend – als christlich sogar. Doch Geradlinigkeit kann zur Falle werden – zur Sünde. „5. Station: Simon hilft Jesus das Kreuz zu tragen“. So haben es jene im Kopf, die in der Fastenzeit den Kreuzweg gehen. Den Weg, den er sich vorgenommen hatte, ist Simon nicht einfach geradlinig weiter gegangen. Er hat sich bewegen lassen, seinen Weg zu unterbrechen, um einem, dem eigentlich nicht mehr zu helfen war, trotzdem zu helfen. Er ist mit dem Leidenden mitgegangen.
Kreuzwege scheinen aus der Mode gekommen. Was zählt, ist der gerade und rasche Weg. Zielorientiert musst du handeln, wird einem allenthalben unterbreitet. Wer sich abbringen lässt von seinem Weg, bringt sich um den Erfolg. Ostern kommt nicht als Höhepunkt eines großartigen Erfolgsweges, sondern es ist die völlig unerwartete Erfahrung nach einem Kreuzweg. Christus ist ihn gegangen. Einige haben ihren Alltagsweg unterbrochen, um sich einspannen zu lassen in dieses Geschehen. Das Christentum ist in diesem Sinne keine „Erfolgsreligion“, mit der man seine persönlichen Ziele besser erreichte. Es weist den „Umweg“ zum Nächsten.