Der 1. Mai ist der Tag der Arbeit und ein Tag für Politiker, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Wie sieht einer, der im Machtzentrum der Republik war, das Politiker-Leben in der Rückschau? – Ein Gespräch mit dem ehemaligen Innenminister Dr. Ernst Strasser, einem gebürtigen Grieskirchner.
ERNST GANSINGER
„Es erhöht die Lebensqualität, nicht in jeder Sekunde Rede und Antwort stehen zu müssen.“ – So fällt das Resümee von Ernst Strasser aus, der Ende 2004 überraschend den Rock des Politikers an den Nagel gehängt hat und in die Wirtschaft zurückgekehrt ist.
Im Hamsterradl
Seit etwa einem Jahr bekleidet er leitende Funktionen in der Wirtschaft (Managementaufgaben im österreichischen Investmenthaus Vienna Capital Partners VCP und Mitglied des Aufsichtsrates von Group 4 Falck AG). „Ich kann jetzt in Ruhe arbeiten, ohne öffentliche Zwischenrufe.“ Freiheit ist Strasser wichtig. Eine Folge von Freiheit sei, Herr seiner selbst zu sein, Herr über seine Zeit. Politiker haben diese Freiheit nicht. „Sie sind im Hamsterradl.“ Jetzt als Manager könne er selbstbestimmter handeln.
Grundsatztreue
Auf seiner Homepage wird Ernst Strasser von einem Freund gelobt, dass er nie einen Fehler gegen die Grundsätze gemacht hat. – Ist das bei Politikern so zu betonen? Ist es schwer, als Politiker grundsatztreu zu bleiben? – Nach langem Überlegen meint Ernst Strasser: „Vielleicht. Wichtig ist, dass die Dinge, für die man als junger Mensch auf die Barrikaden gestiegen ist, nicht verschüttet sind. Und dass man bei Kompromissen weiß, dass es Kompromisse sind.“
Alte Piloten und mutige Piloten
Ist es klug, als Politiker mutig zu sein? – Strasser kommt auf einen Fliegerspruch zu sprechen. „Es gibt alte Piloten und es gibt mutige!“ „Hätte ich im Jahr 2000 laut gesagt, Polizei und Gendarmerie zusammenzulegen, gäbe es das heute nicht. Die Politik muss erkennen, was geschehen muss und wie man die Menschen darauf hinführt.“ Wenn er heute durch das Land fährt und die neuen Polizeiautos (der zusammengelegten Polizei und Gendarmerie) sieht, erfülle ihn dies mit Freude ... So sei es auch politisch falsch, jetzt zu sagen, die Türkei müsse in fünf Jahren bei der EU sein, weil die Leute darauf nicht vorbereitet sind.
Im Rückspiegel: Strasser über
- Politiker: Sie müssen ein festes Wertgefüge haben. Da darf man keinen Schritt auf die Seite tun. Das ist die einzige Richtschnur, die funktioniert.
- seinen Konflikt als Innenminister mit der Caritas: Das war ein Fehler. Man darf Enttäuschungen über Personen nicht zur Grundlage des politischen Handelns machen. Da muss man drüberstehen.
- den Vergleich von Politik und Wirtschaft: Es sind immer die selben Grundstrukturen. Beharrende Kräfte verteidigen mit Zähnen und Klauen. Dem steht ein anderes Kundenbedürfnis gegenüber. Die Verantwortungsträger müssen Organisationsformen finden, die das Kundenbedürfnis am besten befriedigen (was etwa bei der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie eine Überlegung war).