Wir stecken mitten in der Fußball-WM, und es ist an der Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Sportlich ist zu befürchten, dass sich der Ausspruch des früheren England-Stürmers Gary Lineker, nachdem Fußball ein Spiel ist, bei dem 22 Spieler 90 Minuten einem Ball hinterherrennen und am Ende immer die Deutschen gewinnen, schon wieder bewahrheitet. Wie diese Weltmeisterschaft beweist, ist Fußball mehr als Sport. Er polarisiert genauso wie er solidarisiert. Er begeistert. Selbst in Österreich, das sich überraschenderweise nicht für die Endrunde in Deutschland qualifizierien konnte, fühlen sich laut einer repräsentativen Telefonumfrage von Markant Market Research unter 1000 Personen nur 15 Prozent von dem Megaevent genervt. Aus der Umfrage geht allerdings nicht hervor, ob die Genervten die WM im ORF mitverfolgen. Das ist schade, weil sich dann vielleicht erklären ließe, was ihnen am Wecker geht. Die Grammatikschwäche von Chef-Analysator Herbert Prohaska kann es nicht sein, die ist mittlerweile legendär. Schließlich kennen wir „ihm“ schon lange. Was aber tatsächlich nervt, ist das besserwisserische Getue der ORF-Kommentatoren: Ronaldo ist zu dick, die Brasilianer insgesamt schwer überschätzt; sie tanzen keinen Samba auf dem Platz. Zidane ist zu alt, Frankreich insgesamt eine Lachnummer; ihre Glanzzeit ist vorbei. Beckham ist zu unkreativ, England insgesamt jenseits von gut und böse. Es wundert einen, woher man als Österreicher den Großmut hernimmt, über die weltbesten Fußballer zu lamentieren, während hierzulande ein Sieg gegen Aserbaidschan etwas Großes ist. Am schwächsten sind aber sowieso die Schiris, die ein Abseits auch dann nicht pfeifen, wenn Robert Seeger und Co nach fünf Standbildern aus verschiedenen Perspektiven inklusive Computeranimation das Gegenteil erkannt haben.Junge Zuschauer sind laut Studie WM-euphorisch. Vermutlich weil die meisten das Geschehen auf öffentlichen Plätzen mit Leinwand verfolgen, wo sie keinen Kommentar hören.