63 Jahre nach seiner Hinrichtung leuchtet das Lebenszeugnis des Franz Jägerstätter in die heutige Welt herein. Nicht Götzen nachzulaufen und einer Siegermentalität zu frönen, sondern Gott selbst und die Liebe zum Nächsten im eigenen Leben zum Ausdruck zu bringen, dafür steht Franz Jägerstätter. Seine Gewissenstreue wird zum Impuls für den Umgang mit den großen Fragen der heutigen Zeit. Am 8. und 9. August wurde dies bei den diesjährigen Jägerstätter-Tagen in Braunau, Ostermiething und St. Radegung deutlich.
Er lebte mit offenen Augen
Kirche und Land gedachten des NS-Opfers Franz Jägerstätter
Zum 63. Mal jährte sich der Todestag von Franz Jägerstätter. Immer klarer zeigt sich der Weitblick des Mannes, der seine Zeit nicht mit den Augen der Sieger, sondern der Opfer sah – dafür lebte und starb.
Seit dem Todestag Franz Jägerstätters in Berlin-Brandenburg am 9. August 1943 pflegten Franziskanerinnen von Vöcklabruck dort sein Andenken. Für sie war der vom Nazi-Regime Hingerichtete wie ein Heiliger. Am 8. August 2006 wurde beim Krankenhaus der Franziskanerinnen in Braunau der Franz-Jägerstätter-Park eröffnet und von Altbischof Maximilian Aichern und Bischof Manfred Scheuer gesegnet.
Ein Jägerstätter-Park in Braunau. Die Eröffnung des Franz-Jägerstätter-Gedenkparkes war der Höhepunkt der diesjährigen Jägerstätter-Gedenktage in Braunau, Ostermiething und St. Radegund am 8. und 9. August. Die Anwesenheit von Bundespräsident Heinz Fischer und Landeshauptmann Josef Pühringer einerseits sowie der Diözesanbischöfe Ludwig Schwarz, Manfred Scheuer und von Altbischof Maximilian Aichern verdeutlicht das Spannungsfeld, in dem Franz Jägerstätter gelebt hat: Politik und persönliches Leben, Gesellschaft und Glaube hat er in seinem Gewissen verbunden. „Wir werden Franz Jägerstätter erst gerecht, wenn wir sein Vorbild auch mit unserem Leben verknüpfen“, betonte Bischof Ludwig Schwarz beim Gedenken. „Sie wollten seinen Namen auslöschen und haben ihn gerade dadurch in das Buch der Geschichte eingetragen“, meinte Bundespräsident Fischer. Schmerzvoll sei, dass in anderen Teilen der Welt Krieg, Hass und Gewalt herrschen.
Jägerstätter heute. Bischof Manfred Scheuer verdeutlichte die Bedeutung Franz Jägerstätters für die heutige Zeit. Auf dem Hintergrund seines Zeugnisses könne man sich auch den Herausforderungen der Gegenwart stellen. Jägerstätter – so Scheuer – „wurde nicht geblendet vom Herrenmenschen, der andere erobert und sich andere unterwirft. Und er hing auch nicht am Ungeist des Habens.“Was dies in der Konsequenz bedeutet, ging beim Gedenken unter die Haut, als etwa der Abschiedsbrief Franz Jägerstätters an seine Frau Franziska und an seine Kinder in der Pfarrkirche Braunau vorgelesen wurde. Franziska Jägerstätter nahm mit weiteren Familienangehörigen an der Feier teil. „Jägerstätter steht für den Wert und die Würde des menschlichen Gewissens“, betonte Scheuer, das neutestamentliche Liebesgebot stand für ihn im Zentrum.
Mit offenen Augen. Fremdes Leid wahrzunehmen, statt die Augen davor zu verschließen, ist für Scheuer eine Hauptbotschaft aus Jägerstätters Lebenszeugnis, denn „Jesus lehrt nicht eine Mystik der geschlossenen Augen, sondern eine Mystik der offenen Augen“. Bischof Scheuer sprach sogar von einer „Wahrnehmungspflicht für fremdes Leid“. Prophetisch sei Jägerstätters Aufdecken der Antlitze der Opfer gegen deren Verhüllung durch die Sieger gewesen. Eine politische Herausforderung sieht Scheuer für Europa. Es sei seine zentrale politische Aufgabe, „ein politisches Modell zu entwickeln, das ein friedliches Zusammenleben von Regionen, Staaten, Kulturen und Religionen in Europa möglich macht, ohne dazu auf äußere Feinde angewiesen zu sein“. Nicht wie nationalsozialistisch Gesinnte um Sieg, sondern um Frieden würden Christen beten, betonte Scheuer. Gott und nicht dem Götzen zu dienen. Darum ging es auch dem Innsbrucker Theologen Dr. Wolfgang Palaver in einem Vortrag. Jägerstätter sei ein großer politischer Mystiker, „weil er die Gnade der Visionen und Einsichten gehabt hat, die ihn vor dem Götzendienst gewarnt haben“, so Palaver. Wie jedes Jahr schloss das Jägerstätter-Gedenken 2006 mit einer Fußwallfahrt in dessen Heimatort St. Radegund. Dort leitete Bischof Ludwig Schwarz eine Eucharistiefeier.