Aktuell wie nie zuvor ist das Stück „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing. Das Verhältnis der Religionen zueinander, verbunden mit der Frage, welche denn die einzig wahre sei, bleibt ein heißes Thema. Im Leben, auf der Bühne.
Die Ringparabel zählt zur Pflichtlektüre im Deutschunterricht. Als Lehrstück in Sachen Toleranz tut auch Jahre danach wieder Auffrischung gut, noch dazu wenn sie sie so unkompliziert, kurzweilig und verständlich dargeboten wird wie im Theater Phoenix. Welche Religion ist die einzig wahre?, fragt Sultan Saladin den weisen Nathan. Dieser erzählt daraufhin eine Geschichte: die Parabel vom wunderbaren Ring, den ein Vater jedem seiner drei Söhne, die er alle drei gleich liebt, verspricht. Ein einziger Ring für drei Söhne: dieses Dilemma löst der alte Herr, indem er zwei weitere Ringe anfertigen lässt, die dem ersten ohne Unterschied gleichen. Welcher nun aber der wahre sei, diese Frage sei nach wie vor in Schwebe ... so das Ende der Parabel.Vertrauen in die jeweils eigene Religion und die Tradition der Väter zu haben, sei legitim, erklärt Nathan in weiterer Folge. Auch fragt Nathan nach: Ist nicht der Grund für so manch fromme Schwärmerei ein Ersatz für das Handeln?Erstaunlich, wie mutig und weitsichtig Lessing die Themen Toleranz, Umgang mit der eigenen Tradition, Achtung vor dem Glauben der anderen bereits 1779 abhandelte.
Leichtfüssig. Gratulation, wie es Regisseurin Eva Hosemann gelingt, Fragen wie diese nicht bedeutungsschwer auf die Bühne knallen zu lassen. Leichtfüßig kommen die philosophischen Abhandlungen in Dialogform daher, unterstützt durch das scheinbar schwebende Bühnenbild (Stephan Bruckmeir). Das fordert von den Darstellern Kondition: Die fünf Kontinente sind sinnbildlich auf Stützen dargestellt und dienen als beweglicher Bühnenboden, auf denen die handelnden Personen hin- und hersausen. Dies gibt der Inszenierung und den Figuren Freiraum und Gestaltungsmöglichkeiten. Unterschiedlich sind die Charaktere des Christen, Juden und Muslim angelegt: Der junge Tempelherr (Eckart Schönbeck) ist voller Unruhe, sprüht vor Energie, als Hitzkopf sorgt er aber auch für brenzlige Situationen. Nathan, ein reicher Jude (Bernd Jeschek), geht bedächtig und mit Sorgfalt ans Werk, ein Mensch, den das Schicksal nicht hart gemacht hat. Ebenfalls sanftmütig, auf der Suche nach Wahrheit, beinahe phlegmatisch Sultan Saladin (Matthias Hack). Die flüchtig auftretende Person des Patriarchen – in bischöfliche Kleider gesteckt – agiert grausam, unnahbar und erfährt eine plumpe Aktualisierung: die Worte „Daham statt Islam“ spuckt der Patriarch recht unvermittelt aus. Wozu? Die menschenverletzende Wahlwerbung eines FPÖ-Politikers aus dem Mund des Patriarchen sorgt im Publikum zumindest für einige Lacher, trägt aber nichts zur Weiterentwicklung des Stückes bei. Bis auf diesen Regie-Ausrutscher ein anregender Theaterabend. - Theater Phoenix Linz, bis 29. Oktober.