Etwa ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer leiden unter Burn-out-Symptomen. Die Schule ist ein Opfer der allgemeinen Unruhe
Ausgabe: 2006/41, Lehrer, Burn-out-Symptom, Schule, Kinder
12.10.2006 - Ernst Gansinger
Vielen Kindern fehlt es an Respekt der Institution Schule gegenüber. Foto: BEGSTEIGER.
„Ich bin manchmal schon am Ende mit meiner Kunst, Schüler zu motivieren.“ – Einst begeisterte Lehrer und Lehrerinnen sind erschöpft vom Alltag der Schule! – Manche Studien im deutschen Sprachraum sprechen davon, dass mehr als ein Drittel der Lehrer ausgebrannt sind!
Müde sei er, sagt ein Volksschuldirektor, der jahrelang im Schuldienst steht. Er, der in seiner Dorfschule weit über den Anspruch des Lehrplans hinaus vielen Generationen Wissen, Lebensreife und Werte vermittelt hat, stellt fest, dass es belastender geworden ist, Lehrer zu sein. Es mangle vielen Kindern an Respekt und der Fähigkeit, aufmerksam zu sein. Sie wissen nicht um den Ernst von einem Ja und schon gar nicht von einem Nein. Es fehlt oft schon vom Elternhaus her, sagt der Direktor. Die Lehrer bräuchten mehr Zeit, um dem zunehmenden Defizit an grundlegend wichtigen Haltungen für das soziale Zusammenleben entgegenzuwirken.
Wenn am Montag die Woche beginnt. Die Kinder kommen von einem Event-Wochenende in die Schule, erzählt der Volksschuldirektor und klagt, dass sich die Familien häufig von den Medien beeinflussen lassen. „Ist irgendwo ein Event angekündigt, wird hingefahren. Oft nehmen sie weite Distanzen in Kauf. Am Ende wird ins Gasthaus gegangen, das muss dann schon passen.“ Das ist ein Fluch der Spaßgesellschaft: Die Familien machen nur noch selten etwas als Familie, können ein Wochenende nicht mehr genießen. Die Kinder gehen nach solchen Wochenenden am Montag müde und sehr geladen in die Schule. Ein Lehrer, den diese Montagssituation ebenfalls sehr belastet, hat begonnen, mit seinen Kindern zum Wochenstart in den Wald zu gehen. Dabei laden sie die Hektik des Wochenendes ab und kommen zur Ruhe, was Voraussetzung ist, etwas Neues aufnehmen zu können
Hohe Ansprüche, großer Druck. Eine Studie des psychologischen Instituts der Universität Potsdam zeigt auf, dass vierzig Prozent der deutschen Lehrer ständig überfordert sind, gerade auch deswegen, weil sie zu hohe Ansprüche haben. Für Österreich ist der Befund ähnlich. Untersuchungen des Bildungsministeriums weisen außerdem darauf hin, dass sich Lehrerinnen und Lehrer besonders durch mangelnde Disziplin, hohe Klassenschülerzahlen und durch den Zwiespalt zwischen geringer öffentlicher Anerkennung und wachsenden pädagogischen Herausforderungen belastet fühlen. Sie leiden unter dem Druck, gesellschaftliche Missstände kompensieren, die Erziehungsarbeit der Eltern ergänzen und erfolgreich mit schwierigen und verhaltensauffälligen Kindern umgehen zu sollen. Vor diesem Hintergrund ist ein Seufzer eines Lehrers zu verstehen, der meinte: „Jetzt hat das Schuljahr erst begonnen, und ich freu mich schon auf die Ferien.“
Das Radl geht immer schneller. Das enorme Tempo der Gesellschaft bringt die Schule in Bedrängnis. Die Menschen wollen auf den Zug der Geschwindigkeit aufspringen, sind aber nicht gebaut fürs pausenlose Mittendrinnen sein. Und die Kinder sind überall dabei, gibt der eingangs zitierte Schuldirektor zu bedenken. Viele Kinder unserer Zeit halten Ruhe und kleine Meditationsübungen gar nicht mehr aus. Das alles führt dazu, dass er die Pension herbeisehnt. Vor ein paar Jahren war das bei ihm noch undenkbar. Da schwärmte er von seinem Beruf, in dem es menschelt, in dem er selbst durch Begegnungen mit den Kindern und Eltern aufladen konnte. Da freute er sich darüber, wie sich Kinder von seiner Begeisterung anstecken ließen, wenn er etwa vom Wochenende erzählte, was er in der Natur alles erlebt hat. Heute, wenn er Ähnliches erzählt, „denken sich viele: Naja, ist er halt herumgehatscht“. Er werde nicht resignieren. Er werde versuchen, den Kindern wieder das Staunen näher zu bringen und so nachzuholen, was im Elternhaus ins Hintertreffen kam.
Wider die Oberflächlichkeit. Es wird viel probiert. Maßnahmen werden gesetzt. Aber es bleibt vieles an der Oberfläche. Der Dorfschullehrer nennt als Beispiel die Verkehrserziehung. Es werden Broschüren und Warnwesten verteilt. Aber dass im Alltagsleben die Kinder die Signale überhören, nicht mehr wahrnehmen, was an visuellen Eindrücken da ist, bleibt unangerührt. Der Hektik wird nichts entgegengesetzt.