Deshalb habe ich Weihnachten so gerne. Ich denke mir: trotz allem, was man einwenden könnte gegen den Adventrummel und die Weihnachtsgeschäftemacherei, es passiert auch viel Gutes.
Advent – die Zeit des Wartens. Zumindest ist sie so gemeint. Und auf eine bestimmte Gruppe trifft das auch zu. Nämlich auf die Kinder. Die warten sicher. Und damit man auch mit dem Warten schon Geschäfte machen kann, hat die Wirtschaft den Adventkalender neu erfunden. Nein, nicht den alten einfachen aus Karton mit den 24 Türchen – da gibt es jetzt schon ganz andere Kaliber.
Denn die Wirtschaft, die wartet nicht. Und wenn, dann auf gute Geschäfte. Und seien wir uns ehrlich. Bei jeder kirchlichen „Moralpredigt“ wird über den Konsum hergezogen –und wir alle machen mit. Wir alle leben davon. Von der guten Wirtschaftslage, von den Arbeitsplätzen, vom Weihnachtsgeschäft.
Die Leuchtkugeln sind längst abgefeuert. Und sie treffen uns an den unterschiedlichsten Stellen. An der „Wieder-gut-mach-Ferse“ zum Beispiel. Hab’ ich schon das ganze Jahr keine Zeit für Dich, dann wenigstens jetzt ein teures Geschenk! Oder am „Geiz-ist-geil-Ohr“. Jetzt leiste ich mir auch mal was. Oder in der „Bin-ich-was-wert-Nierengegend“ … Doch da gibt es auch noch andere Stellen. Die „Freude-machen-Hand“. Einfach jemand eine Freude machen. An jemand denken. Jemand danken. Zumindest einmal im Jahr. Und sehen Sie: deshalb habe ich Weihnachten so gerne. Ich denke mir: trotz allem, was man einwenden könnte, passiert soviel Gutes. Doch das Gute passiert nicht von alleine. Es braucht Menschen, damit es passieren kann.Und zwar Menschen, die nicht nur passiv darauf warten, bis etwas geschieht.
Warten ist auch gut, denn dann erwarten Sie ja etwas. Und es ist eine Freude, wenn es dann da ist. „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude …“, lässt Lukas den Engel des Herrn zu den Hirten sagen. Diese traf die Botschaft völlig unerwartet, unvorbereitet, und sie mussten aufbrechen, um zu sehen, was da geschehen war. Wir heute – wir sind voller Erwartung, wir können uns vorbereiten. Aber auch dann gilt es, „aufzubrechen“, vielleicht sogar mich selbst, um zu sehen, was mit mir, was mit uns geschieht. Das Gute passiert nicht von alleine. Der Advent ruft uns, uns selbst zu warten und unser Mensch-Sein zu pflegen.
„Pflegeplätze“ gibt es genug: die Stille einer Kirche mitten in der Einkaufsstraße, die leere Hand eines Obdachlosen, das Lob für die Mitarbeiterin, die mir oft die letzten Nerven kostet, oder ein paar Handgriffe mehr zuhause, um Zeit und Atmosphäre zu schaffen für ein gutes Gespräch beim Adventkranz …
Der Stern leuchtet schon. Die Stimmung wird eine andere. Und wenn Sie ihm folgen – normaler„weise“ landen Sie dann in einem Geschäft. Das kann auch Freude machen. Aber ob das der adventlichen Weisheit letzter Schluss ist? Es liegen auch noch Stern-Stunden ganz anderer Art in der Luft. Eine darf ich Ihnen heute ans Herz legen: die „Sternwarte-Stunde“. Vielleicht wartet jemand gerade auf Sie. Und Sie nehmen sich für diesen Menschen eine Stunde Zeit. Jetzt im Advent.
Rudolf Weiß lebt im Weinviertel (Paasdorf). Er arbeitet als Religionslehrer, Erwachsenenbildner, Ehe- und Familienberater sowie als Schriftsteller und Fotograf.
warten
advent – die zeit des wartens
warten auf sinn warten auf hoffnung warten auf menschlichkeit
den sinn warten die hoffnung warten und die menschlichkeit
worauf warten wir eigentlich?
Bild und text: Rudolf Weiss*
* Das Gedicht ist aus: Rudolf Weiß: Fürchtet Euch nicht. Texte der Zuversicht für Advent, Weihnachten und alle anderen dunklen Zeiten. NÖ. Pressehaus, 120 Seiten, 18 Euro. Zu bestellen beim Autor unter:www.dieweinviertler.com