Ausgabe: 2006/49, Lebenskünstler, Weiß, Advent, Lebensgefahr, Fromm, Lebensqualität, Einkaufssamstag, Konsum, Haben oder Sein,
06.12.2006 - Rudolf Weiß
Wenn alles mit vollem Tempo auf den weihnachtlichen Höhepunkt zusteuert, besteht die (Lebens-)Gefahr, den Advent selbst zu vergessen. Dabei könnte das Sein unter die Räder des Haben(wollen)s kommen.
Der Advent ist ein Segen. Vor allem für unsere Stromproduzenten. Nicht nur, dass die Nächte sowieso die längsten des ganzen Jahres sind; jetzt werden sie auch noch taghell erleuchtet. Licht ins Dunkel, die Nacht wird zum Tag gemacht – zum langen Einkaufssamstag. HABEN Sie schon alles? Oder lassen Sie es lieber gleich SEIN?
Hochspannung – Vorsicht – Lebensgefahr: ein eigenartiges Bild für adventliche Gedanken. Doch viele Menschen stehen tatsächlich unter Strom. Und das heißt dann: mitströmen in die Einkaufszentren, kaufen, was gut und billig ist – hastig wird ein Abend Marke „heile Familie“ in Pakete verpackt.
„Lebens“-Gefahr. Ich möchte Ihnen die Freude nicht verderben auf einen schönen Heiligen Abend – gerade der Advent aber bietet sich an, auch über den Weg nachzudenken und nicht „nur“ über das Ziel. Natürlich, Weihnachten und insbesondere der Hl. Abend – das ist das Ziel. Kein Packerl wird vorher ausgepackt, keine Bäckerei vorher gegessen und keinem Weihnachtsmann (wenn er schon sein muss) fiele es ein, schon vorher den Rauchfang herunterzuturnen. Aber laufen wir dann nicht sozusagen („Lebens“-)Gefahr, den Advent selbst zu vergessen?
Der Weg ist das Ziel. Erich Fromm hat vor vielen Jahren ein kleines Büchlein geschrieben: „HABEN oder SEIN“. Diese zwei menschlichen Grundhaltungen beschreibt und unterscheidet er darin: Menschen, die alles „haben“ wollen, die ihren Selbstwert aus ihrem Besitz heraus definieren, die vor allem auf Konsum ausgerichtet sind. Und auf der anderen Seite der Mensch, der es versteht, zu „sein“, sich an kleinen Dingen zu freuen, der seine Erlebnisfähigkeit spürt, den Augenblick genießen kann und nicht viel braucht, um aufleben zu können.
Haben oder sein? Diese Chance liegt auch im Advent: das persönliche Tempo verlangsamen – beim Schlendern durch den Adventmarkt sehen, riechen, spüren, sich Zeit lassen und nicht in erster Linie ans Kaufen denken. Mir bewusst Zeit nehmen für mich und andere – die Wohnung adventlich gestalten. HABEN oder SEIN – das fängt bei den alltäglichen Dingen an. Genieße ich den Geschmack des Essens oder schlinge ich es hinunter, weil schon der nächste Termin wartet. Bin ich wirklich da, wenn wer mit mir spricht oder nicht, weil ich ja gar keine Zeit habe.
Schreiben Sie das Bild um. Entspannung – Nachsicht – Lebensqualität. Adventliche Menschen sind Lebenskünstler. Sie müssen nicht alles haben. Sie können lockerlassen. Sie lassen sich Zeit. Sie haben Nachsicht mit sich selbst und anderen. Es muss nicht immer alles perfekt sein. Weil nämlich eines mit Weihnachten wieder perfekt wird: Gott, der uns annimmt mit all unserer Menschlichkeit. Nichts Besseres konnte ihm dafür einfallen als einer von uns zu werden. Unsere Hoffnung hat einen neuen Namen bekommen – Jesus von Nazareth. In ihm ist unser Mensch-Sein geadelt. Und wenn Paulus uns zuruft, das alte Kleid auszuziehen, dann meint er: Sei Mensch, wie Gott dich gedacht hat, denn nach seinem Bild und Gleichnis schuf er dich.
Impuls
weg
wenn du dein bethlehem suchstdann geh nicht dem schein nach und lass dich nicht verführen von den lichtschlangen der schlaufüchse halte nicht ausschau nach dir im glitzer der glaskugeln und in den kapellen des käuflichen
begib dich ins dunkle und gib dich der nacht du wirst dich finden im warm einer krippe die hirten deines versagens schleichen vorbei und flüstern seht ein kind gottes