Vielleicht kommt Weihnachten schneller in Sicht, wenn wir das Tempo rausnehmen und hellhörig und gelassen darauf achten, wie es geschieht – mitten unter uns und ohne Schlagzeilen.
Wer heute mit der Zeit gehen will, muss rennen. Viele kommen bei dem Tempo nicht mehr mit, klagen Beratungs- und Hilfseinrichtungen. Der Advent wäre eine Zeit zum Luftholen, ganz bewusst.
Vor kurzem ist mir zuhause ein Buch in die Hände gefallen und da ich die Angewohnheit habe, vorne hineinzuschreiben, wann ich es gekauft habe, weiß ich, dass es nun schon seit vierzehn Jahren ungelesen im Bücherschrank stand. Ich bin damals nur ungefähr bis Seite fünfzig gekommen. „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny hat meine Geduld zu sehr strapaziert.
Andere Qualitäten. Heute ist das anders. Na gut, hab ich mir gedacht, wenn es schon um die Langsamkeit geht, dann werde ich das Buch auch dementsprechend lesen. Jeden Tag eine Seite, nicht mehr. Gut Ding braucht Weile. In ungefähr einem Jahr werde ich fertig sein. Im Buch geht es um den Seefahrer John Franklin, der „mit zehn Jahren noch so langsam ist, dass er keinen Ball fangen kann“. Er wird nie mehr schneller werden, unser Antiheld, aber sein Lehrer entdeckt, dass diese Langsamkeit auch ihre Qualitäten hat: was John einmal erfasst hat, das behält er und das Detail begreift er besser als jeder andere.
In Zeitlupe leben. Eine Anregung für den Advent? In Zeitlupe leben. Die Langsamkeit entdecken. Im Augenblick verweilen. „Ich bin ein Clown und sammle Augenblicke“, lautet ein markanter Satz in Heinrich Bölls „Ansichten eines Clowns“ – Worte, die mir immer mehr zum Programm werden inmitten all dessen, was mich ansonsten programmiert und treibt. Augenblicke sammeln, ganz da sein, die Qualität des Schlenderns entdecken, den Wert der Bedächtigkeit, des Gemächlichen – das wäre vielleicht was, denn wenn Sie heute mit der Zeit gehen wollen, dann müssen Sie schon rennen!
Überfluss und Oberfläche. Als mein Vater so alt war wie ich heute, da hatten wir zuhause gerade einmal ein Radio und ich meine erste Stereoanlage. Kein Vergleich zu dem, was heute allein durch die diversen Medien auf uns einströmt. Natürlich, kaum wer möchte verzichten auf die technischen Errungenschaften, auf Internet, DVD-Player, 100 TV-Programme und und und … Vielleicht aber gilt es, einen guten Umgang damit zu erlernen. „Overnewsed but underinformed“ lautet ein Schlagwort unserer Zeit. Jede Menge Neuigkeiten und gleichzeitig immer weniger informiert. Erschlagen von den Schlagzeilen, in der Kürze liegt vielleicht die Würze, ganz sicher aber die Oberflächlichkeit.
Auf Tiefgang. Sehen Sie, die Schritte da oben im Schnee (Bild) – es sind kleine Schritte, von Tempo keine Spur. Es geht gar nicht anders als langsam im Tiefschnee, doch die Spur ist dafür umso deutlicher. Bremsen wir uns ein! Setzen wir auf Tiefgang! Alles können wir sowieso nicht haben. Vielleicht aber kommt Weihnachten dann in Sicht, wenn wir’s nicht kaufen wollen, sondern gelassen und hellhörig darauf achten, wie es geschieht.
Impuls
heute noch
heute noch hinaus und den alltag einfach liegen lassen am schreibtisch
zaghaft begehe ich die zwecklosigkeit jeder schritt wird geschenk
in den äckern blüht die stille am himmel schminkt sich der abend und winkt
wie lang die zeit hier ist wie voll ein gedanke
jetzt noch den hügel hinauf ja – weihnachten ist in sicht