Bitten ist riskant. Wenn ich bitte, gebe ich zu, dass mir etwas fehlt. Ich gebe mir eine Blöße und riskiere, dass ich abgewiesen werde. Dann stehe ich da, nackt. Lieber beiß ich mir die Zunge ab, als dass ich jemanden etwas bitte. Bitten ist doch eine Form der Unterwerfung.
Wenn mir allerdings das Wasser bis zum Hals steht, dann vergess ich all meine Bedenken. Ich schrei um Hilfe. Ein Gott soll mir helfen! Gleichgültig, ob ein „Vater“ oder eine „Mutter“, ein „Jahwe“ oder ein „Allah“. Not lehrtBeten. Bitten auf jeden Fall.Wenn die Not vorbei ist, sind die alten Bedenken wieder da: Bitten ist etwas für kleine Kinder oder schwache Frauen. Aber doch nichts für starke Männer! Und weil beten und bitten eins ist, hört mit dem Bitten auch das Beten wieder auf.
Ist bitten und beten nur eine Sache für den Notfall? „Nicht die Grenzsituation ist der Ort des Betens, sondern das Inland des Lebens“, schreibt Dorothee Sölle. Bitten ist nicht bloß ein „Mittel zum Zweck“. Die Bitte ist der Weg eines freien Menschen zu einem anderen freien Menschen. Menschen, die sich lieben, verkehren miteinander auf dem Weg des wechselseitigen Bittens. Da ist dieBitte nicht Ausdruck der Unterwerfung, sondern die Sprache des Vertrauens und der Achtung. Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ist nach Jesus kein Herrschaftsverhältnis, sondern ein Liebesverhältnis. „Nicht mehr Knechte nenne ich euch; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“, sagt Jesus in den Abschiedsreden des Johannesevangeliums. Vertraute will Gott, keine Untertanen. Er sucht unser Herz. Wer aber das Herz eines anderen sucht, ist angewiesen auf die Bitte, auf den freien Ruf an freie Menschen. Jesus ist die Menschgewordene Bitte Gottes an uns: „Kommt, folgt mir! Tut mit beim Projekt Reich Gottes!“ Gott hat keine andere Macht als die Bitte. Und wir haben keine Macht, um Gott, die machtvolle Wirklichkeit, herbeizuholen. Nur den Ruf, die Bitte.
Wer glaubt, wird bitten. Es heißt zwar: „Euer himmlischer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn darum bittet.“ (Mt. 6,8). Aber wir werden nicht aufhören, Ihn mit unseren Bitten zu bestürmen. Denn Bitten schafft Nähe und stärkt das Vertrauen. Das Ziel all unseres Bittens ist, Gott möge uns seine heilende Nähe erfahren lassen und Gott, der nie zu fassende, möge der Halt und die Festigkeit unseres Lebens werden. Das erbitte ich nicht nur für mich, sondern auch für die, die keinen Halt und keine Festigkeit in ihrem Leben haben.
Meine Bitte wird auch zur Fürbitte. In der Fürbitte greife ich im Geist nach der Hand eines anderen Menschen und nehme ihn/sie mit in die Gegenwart Gottes. Ich kann bei Gott nicht alleine ankommen. „Nur das ganze Dorf kommt in den Himmel“, sagt ein russisches Sprichwort. In der Finsternis der Ohnmacht stärkt es oft schon, wenn ich die Hand eines anderen neben mir spüre. Ich bin froh, wenn jemand zu mir sagt: „Ich bete für dich!“
OASE
Jeden Tag
Ich bete jeden Tag das Morgengebet und das Abendgebet – in meinem Wohnzimer, in Stille und Ruhe. Mein Morgengebet schreibe ich jetzt auf. Auch im „Gotteslob“ findet man gute Gebete für jeden Anlass.
Der neue Tag
Mit dem Aufgang der Sonne beginnt ein neuer Tag. Du ahnst noch nicht, was er dir bringen mag. Doch es liegt an dir, was du daraus machst. Du allein kannst entscheiden, ob du weinst oder lachst. Gestalte den Tag so, als sei er der letzte auf Erden. Du könntest jederzeit von Gott gerufen werden, darum mache Frieden mit ihm, bevor die Sonne untergeht.
Marianne Ritt, Wels
Bitten und Danken
Ich habe eine Kirchenbank – ein bisschen eng und ganz einfach. Wenn sie der Abendsonne erlaubt, die bunten Farben der Fenster auf Holz und Steinboden zu malen, beginnt meine Stunde im Nachdenken. Bitten und Danken, das ist mein Beten. Die Farben auf meiner Kirchenbank sind Zeichen meines Tages: Laut und grell wie lärmende Meinung auf den Straßen, unsicher, verschwommen wie Begegnung mit Menschen, die in ihren Augen noch die Angst der Nacht tragen. Nur das tröstliche behutsame Wort hat ihnen gefehlt. Es ist wie eine Gewissenserforschung. Gut, dass das Kreuz so nahe ist mit dem gemarterten, zerschundenen Herrn. Auch danken möchte ich für die zarten Zeichen der Freude. In dieser Stunde des sinkenden Lichtes möchte ich ausruhen, ehe die Glocken die Botschaft vom unter uns wohnenden Gott verkünden. Ich wünsche Euch meine Kirchenbank, ganz einfach, aber mit dem kostbaren Angebot des Beten-dürfens.
Irmtraud Binna, Bad ischl
Für einen Freund
Gebet
Mein Latein ist zu Ende. Jetzt kann ich nichts mehr für ihn tun. Ich finde keine Sprache mehr als die Fürbitte. Am besten wär’s, meine Liebe könnte telepathisch wirken. Ich versuche ganz fest an ihn zu denken, meine guten Gedanken auf ihn zu konzentrieren. Dennoch traue ich meiner Telepathie nicht. Dir trau ich mehr, Gott. So werden meine Wünsche für ihn Bitten an dich.
Kurt Marti
Übung
Mit meinen Händen- Ich beginne mein privates Gebet mit einem kurzen Ausbreiten meiner Arme. Ich überlege, wen ich heute an der linken und wen an der rechten Hand mitnehme in die Gegenwart Gottes.
- Ich mache mir eine „Bitt-Liste“ mit Namen und Anliegen, die ich in mein Gebet \"einschließe\".