Meine Elisabeth (3) – zum 800. Geburtstag der Elisabeth von Thüringen
Ausgabe: 2007/19, Glaube, Leben, Elisabeth von Thüringen, Elisabeth, Reiner, Küberl, Caritas, Kastner, Rosenfenster, Enns, Rosenwunder, Heilige, 800-Jahr-Jubiläum
09.05.2007 - Hannelore Reiner, geistliche Oberkirchenrätin, Personalreferentin der Evangelischen Kirche A.B. in Ö
„Unwillkürlich zog auch mich die Geschichte jener Frau, die vor 800 Jahren gelebt hat, in ihren Bann.“ Die Taufe der kleinen Lisa wurde für die evangelische Oberkirchenrätin Hannelore Reiner zu einer neuen Begegnung mit Elisabeth von Thüringen.
Es ist schon mehr als 20 Jahre her. In der evangelischen Kirche von Enns/Oberösterreich sollte die fast dreijährige Lisa getauft werden. Diese Kirche gehörte zum ehemaligen Bürgerspital der Stadt und ist erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts der neu gegründeten evangelischen Pfarrgemeinde Enns übergeben worden. Das Altarbild, eine Darstellung der jungen Elisabeth von Thüringen, gab der Kirche den Namen. Was lag näher als bei Lisas Tauffeier von jener Prinzessin zu erzählen, die mit vier Jahren den ungarischen Königspalast und die Eltern verlassen musste, weil die damalige Heiratspolitik es so geplant hatte. Lisa und ihre Geschwister schauten staunend auf das Bild der jungen Frau mit der Krone auf dem zarten Kopf und dem Brotkorb in der Hand.
Worauf es ankommt. Unwillkürlich zog auch mich die Geschichte jener Frau, die vor 800 Jahren gelebt hat, in ihren Bann. 24 Jahre wurde sie bloß alt; ein kurzes Menschenleben, aber bis zum Rand gefüllt mit Freud und Leid. Manches erscheint mir heute übertrieben und nicht nachahmenswert, die Abhängigkeit vom Beichtvater etwa, das übersteigerte Armutsideal oder auch die Trennung von den Kindern … Aber damals schien es mir, als würde Elisabeth auf dem Ennser Altarbild über all diese kritischen Überlegungen nur lächeln: „Kommt es nicht letztlich darauf an, jenen Weg zu gehen, zu dem Christus uns beauftragt hat; den Weg zu den Geringsten? Liegt nicht eben darin Lebensglück und Lebenserfüllung?“
Die fragenden Augen. Wann immer ich in der Elisabethkirche war, stets hat mich ihr Bild auf eigenartige Weise angesprochen: Das feine Lächeln im Gesicht und die fragenden Augen nach meiner Umsetzung der Nachfolge Christi. Schließlich warten die Geringsten unserer Gesellschaft nach wie vor auf unsere Solidarität. Teilen ist notwendig wie eh und je und lässt auch heute, wie einst der Legende nach in Elisabeths Korb, Rosen eines geglückten Miteinanders erblühen.
Entschiedene Menschen. Im Hintergrund des Ennser Altarbildes schimmert die Wartburg. Als evangelische Christin denke ich fast automatisch beim Anblick dieser Burg an Martin Luther, den jungen Mann, der sich, abgeschieden von Kirche, Politik und Universität, in einer stillen Kammer der Burg ein ganzes Jahr lang mit der Übersetzung des Neuen Testaments in die deutsche Sprache abgemüht hat. Wie 400 Jahre zuvor die junge Burgherrin Elisabeth, so ist auch Martin Luther entschieden und kompromisslos für das eingetreten, was ihm als Auftrag seines Gottes bewusst geworden ist. In meinen Gedanken reichen die beiden einander über die Jahrhunderte hinweg die Hand und fordern mich heraus, denn es braucht auch heute Menschen, die kompromisslos und engagiert Zeichen der Liebe Gottes setzen.
Ein erfülltes Leben. Lisa, jenes Taufkind von einst, ist heute schon ein bisschen älter als Elisabeth von Thüringen war, als sie starb. Lisas Weg hat sie bisher an keinen Hof und an keine Burg geführt. Aber auch sie ist eine geworden, die weiß, dass erfülltes Leben etwas zu tun hat mit offenen Augen und Herzen für jene, die Hilfe brauchen. Damit steht Lisa für mich an der Seite jener Elisabeth in ihrer Taufkirche.
Im Blick
Ich war hungrig …
„Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen. Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25, 35f.; 40)
Die Legende vom Rosenwunder erzählt, dass Elisabeth wieder einmal heimlich Brot zu den Armen getragen hat. Da wurde sie von den fürstlichen Aufsehern gefasst und zur Rede gestellt. Als sie ihren Korb öffnete, sahen die Wachen nur einen Rosenstrauß.
Seit 1235 wird Elisabeth von Thüringen in der katholischen Kirche als Heilige verehrt. Hunderte Kirchen, Spitäler und Altenheime tragen ihren Namen; Schwesterngemeinschaften und die Caritas verehren sie als „Patronin“. Auch in der evangelischen Kirche wird sie geschätzt und wird ihrer als „Zeugin der Liebe Christi“ gedacht (siehe Homepage der hess. Kirche).