Gott als alter Mann mit Rauschebart – diese Bilder sind ein Teil abendländischer Kunstgeschichte. Zu Recht wird daran sowohl aus theologischer Sicht als auch aus einer feministischen Perspektive Kritik geübt. Ein Bild Frida Kahlos dient als Beispiel, um die Unfassbarkeit des Lebens vor Augen zu führen.
Bild und Bilderverbot habe ich zu Beginn dieser Serie als zwei Seiten einer Medaille charakterisiert. Auf Bilder folgt deren Kritik, das Kritisieren der Bilder provoziert neue Sichtweisen und neue Bilder. Das Ergebnis ist nicht nur eine faszinierende Geschichte der Kunst, sondern auch ein lebendiges Drama jeweils neuer Bilder unserer Wirklichkeit.Wenn Zeichnung, Malerei und Skulptur im Zuge von rund 2000 Jahren abendländischer Kunstgeschichte immer wieder versucht haben, sich göttlicher Wirklichkeit anzunähern, so kam es – theologisch gesehen – auch zu Fehlentwicklungen. Dies ist vor allem dort der Fall, wo sich die Kunst nicht damit begnügt, göttliches Wirken innerhalb menschlicher Realität anschaubar zu machen beziehungsweise Zeichen für göttliches Handeln zu finden, sondern wenn Kunst versucht, Gott selbst darzustellen. Insbesondere das realistische Bildverständnis der Renaissance und der nachfolgenden Epochen ließ sich dazu verleiten, den Himmel auszumalen und Gott darin als alten Mann mit Bart darzustellen. Das Bild des Schöpfergottes von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle hat sich in unseren Köpfen und Herzen fest eingeprägt. Wenn hier noch ein Bild schöpferischer Kraft geschaffen wurde und im Zentrum das Moment der Berührung des noch nicht erweckten Adam steht, so haben Nachläufer Michelangelos und vor allem die so genannte religiöse Kunst des 19. Jahrhunderts daraus ein plattes Bild eines Männergottes gemacht. Die zahlreichen Kunstdrucke des Erschaffungsbildes aus der Sixtinischen Kapelle auf Plakaten, Handtüchern und Tellern tragen auch nicht gerade dazu bei, das letztlich Unfassbare schöpferischer Kraft vor Augen zu führen.
Heilsame Wirkung. In Anbetracht der starken Wirkung von Bildern verwundert es nicht, dass derartige Darstellungen innerhalb abendländischer Kultur die Vorstellung eines männlichen Gottes bekräftigt haben. Und es verwundert ebenso wenig, wenn Christinnen und Christen sich dagegen verwehren. Gerade hier wird die heilsame Wirkung des Bilderverbotes „Du sollst Dir kein Bild machen“ deutlich. Doch wie bekommen wir diese Bilder wieder aus unseren Köpfen und Herzen?Einerseits durch „weiße“ Bilder. Die abstrakte und speziell die monochrome Malerei des 20. Jahrhunderts (großformatige Bilder, die in einer einzigen Farbe gehalten sind) haben neue Bildwirklichkeiten geschaffen. Die Stärke dieser Malereien ist nicht zuletzt darin zu sehen, dass sie „nichts“ wollen und insbesondere ruhiger Betrachtung Raum geben. Andererseits durch „andere“ Bilder. Wenn ich in diesem Zusammenhang ein Bild der mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo ausgewählt habe, so behaupte ich damit keineswegs, dass es sich bei ihren geheimnisvollen Bildern um Gottesbilder handle. Doch hat die Künstlerin (1907–1954), indem sie sich und ihr tragisches Schicksal ins Zentrum ihrer Malerei stellt, Bilder von Grenzsituationen des Lebens und gleichzeitig nicht zu bändigender Lebendigkeit geschaffen.
Bilder haben Grenzen. In „Gedanken an den Tod“ (siehe Bild) sehen wir eine selbstbewusste junge Frau. Das rote Kleid und die aufgesteckten schwarzen Haare lassen Kopf und Dekolletée sinnlich und klar erscheinen. Die dunklen Brauen, der rot gezeichnete Mund und der aufmerksame Blick zeugen von einer gereiften Persönlichkeit. Das dichte, intensiv grüne Blattwerk im Hintergrund unterstreicht die Kraft und Lebendigkeit dieser Frau. Das Geäst trägt kräftige Dornen, die dicht an den nackten Hals und Nacken reichen. Fokussiert wird die Spannung bedrohten Lebens in einem kleinen Medaillon, das mitten auf der Stirn ruht und einen Totenschädel zeigt. Eine kraftvolle Ruhe und das Wissen und Fühlen um die stete Bedrohung des Lebens sind einander bedingende Momente menschlichen Daseins in Würde. Gerade diese Nichtfassbarkeit menschlichen Lebens dem/der Betrachter/in vor Augen zu führen ist die besondere Eigenschaft von Bildern.