Ein einziges Mal war Papst Benedikt bisher in Mariazell. „An dem Besuch vor drei Jahren war nichts Spektakuläres“, erinnert sich P. Superior Karl Schauer. „Und doch muss ihn etwas so berührt haben, dass er spontan zugesagt hat, zum 850-Jahr-Jubiläum am 8. September zu kommen.“
Einer, der viele Jahre hindurch regelmäßig nach Mariazell kam und hier seinen Urlaub verbrachte, war Kardinal Franz König. „Oft“, so erinnert sich P. Karl, „habe ich ihn am späten Abend, wenn es in der Kirche ruhig geworden war, vor dem Gnadenbild beten gesehen. Er hat mich auch einmal gefragt, ob mir schon aufgefallen ist, dass die Zeller Muttergottes lächle. ,Ja, wenn man lange mit ihr im Gespräch ist, dann lächelt sie‘, meinte der Kardinal.“ Ihm sei das bis dahin nicht aufgefallen, meint P. Karl. Im Laufe der Zeit habe er aber die Erfahrung gemacht, dass sich im Gesicht dieser alten, etwas geheimnisvoll bli-ckenden Figur „das Bild unserer Seele“ widerspiegelt. „Manchmal lächelt sie, manchmal wirkt sie bedrückt und manchmal schaut sie auch grantig, wenn ich was verbockt habe“, meint P. Karl mit einer Portion Selbstironie.
Ein besonderer Ort. „Mariazell ist ein besonderer Ort.“ P. Schauer, der nicht zu frommen Sprüchen neigt, sagt das immer wieder, wenn man mit ihm durch die Basilika geht. Er, der als junger Studentenseelsorger von Graz nach Mariazell geschickt wurde, habe das erst nach und nach gelernt. So etwa habe sich sein hergebrachtes Bild von den „frommen Wallfahrern“ durch viele Begegnungen gewandelt und, so hat man den Eindruck, P. Karl mitverwandelt. Suchende, weit weg von der Kirche, Bedrückte und Verzweifelte, dankbar Stille und fröhlich Feiernde, sie alle kommen hierher. „Immer wieder“, so erzählt P. Schauer, „finde ich zusammengefaltete Zetteln in der Kirche. Wenn ich sie lese, begegnen mir ganze Schicksale; damit könnte man Bücher füllen.“ Lange habe er sich gefragt, was es mit den billigen Decken auf sich habe, die da und dort in der Basilika zurückgelassen wurden. Bis er eines Tages eine Roma-Frau sah, die eine Decke niederlegte. Sie erzählte ihm, dass sie darin ihr kleines Kind eingewickelt hatte, als es schwer krank war. Oft habe sie in dieser Zeit Maria um Hilfe angerufen. Und nun, da ihr Kind gesund ist, sei sie gekommen, um Maria zu danken. Und sie drückte ihm die Decke in die Hand, billig, und doch so wertvoll.
Zeichen des Dankes. Vom Dank an die Zeller Madonna sprechen auch viele wertvolle Gegenstände in der Kunstkammer. Ein besonderes Stück ist dabei sicher die Taufikone des griechischen Metropoliten von Österreich, Michael Staikos. Er hat dieses für jeden orthodoxen Christen besonders kostbare Bild nach Mariazell gebracht, nachdem er bei der Erstürmung eines entführten Flugzeuges unverletzt geblieben war. Von Kardinal König finden sich in Mariazell mehrere Zeichen der Dankbarkeit und tiefen Verbindung. Mit dem Brustkreuz, das er von Papst Johannes XXIII. bekommen hat, dankte er für das „große Geschenk des Konzils“. Ein besonderes Buch erinnert an den Autounfall, den Kardinal König und sein damaliger Sekretär Helmut Krätzl schwer verletzt überlebt haben.
Wertvolle Bilder. Vom Glauben der Menschen, von ihren himmelstürmenden Bitten und ihrer tiefen Dankbarkeit erzählen die rund 5000 Votivbilder. „Als mich“, so P. Schauer, „der Architekt während der Restaurierungsarbeiten fragte, was mit den Bildern geschehen sollte, sagte ich, man soll den Krempel entfernen. Daraufhin beklagte sich eine Restauratorin, die das gehört hatte, weinend beim Architekten über mich. Sie öffnete mir dann die Augen für den tiefen Wert dieser Bilder. Es kommt nicht auf die Meisterhand, die es geschaffen hat, an, sondern auf das Schicksal und das Gottvertrauen der Menschen, die es hierher gebracht haben.“
Überzeugt. Mariazell ist ein besonderer Ort. 29 Millionen Euro wurden in den vergangenen zwölf Jahren für die Restaurierung der Basilika und den Bau eines Pilgerzentrums ausgegeben. „Da haben manche Leute ganz beträchtliche Summen gespendet, aber keiner hat je gewünscht, dass dafür eine Erinnerungstafel angebracht werden soll. Es genügte ihnen, geholfen zu haben“, erzählt P. Karl. Mariazell überzeugte auch den deutschen Bildhauer Ulrich Rückriem, der für seine klaren Steinskulpturen bekannt ist. Als ihn P. Karl fragte, ob er bereit wäre, den Volksaltar zu gestalten, holte er sich zunächst eine ziemlich drastische Abfuhr. Heute steht das Schmuckstück moderner Kunst in der Kirche.