Franz Jägerstätter 1907 – 1943: Sein Weg des Glaubens. Eine Reihe von Bischof Dr. Manfred Scheuer, Teil 2.
Ausgabe: 2007/41, Franz Jägerstätter, Auschwitz, Sein Weg des Glaubens, Hölle, Glaube, Manfred Scheuer, Seligsprechung, 26. Oktober, Hitler, Soldat Christi, Satan, Mammon
10.10.2007 - Bischof Dr. Manfred Scheuer
Ein Zug, der in die Hölle fährt, stellte Franz Jägerstätter vor die Entscheidung
Glaube verlangt Entscheidung. Wer das liebende Ja Gottes annimmt, muss Nein zu einer lebensfeindlichen Welt sagen. In diesem tiefen Glauben hat der Widerstand von Franz Jägerstätter seine Wurzeln.
Im Jänner 1938 hat Franz Jägerstätter einen Traum, bei dem er viele junge und alte Leute auf einen Eisenbahnzug zuströmen sah. Dabei vernahm er eine Stimme: Dieser Zug fährt in die Hölle. „Ich möchte eben jedem zurufen, der sich in diesem Zuge befindet: ‚Springet aus, ehe dieser Zug in seine Endstation einfährt, wenn es dabei auch das Leben kostet!’ Somit glaub ich, hat mir Gott es durch diesen Traum oder Erscheinung klar genug gezeigt und ins Herz gelegt, mich zu entscheiden, ob Nationalsozialist – oder Katholik!“ (Gefängnisbriefe und Aufzeichnungen 127)
Ein Bekenntnis. Franz Jägerstätter hält es für unvereinbar, Nationalsozialist und Katholik, unvereinbar Soldat Christi und zu gleicher Zeit Soldat für den Nationalsozialismus zu sein, unvereinbar, für den Sieg Christi und seiner Kirche und zur selben Zeit auch für die nationalsozialistische Idee und für deren Endsieg zu kämpfen. Jägerstätter weiß sich vor die Alternative gestellt: Gott oder Götze, Christus oder Führer bzw. Christus oder Satan. Er steht in der Christkönigsfrömmigkeit seiner Zeit. „Der im Himmel thronende Christkönig lebt und wirkt auf Erden weiter in seiner Kirche. Die Taufe gliedert uns ein in die Lebensgemeinschaft mit ihm.“ (GBA 190) Jesus als Herr, Führer und König verlangt eine eindeutige Entscheidung für ihn: „Christus verlangt aber auch von uns ein öffentliches Bekenntnis unseres Glaubens, genauso wie auch der Führer Adolf Hitler selber von seinen Volksgenossen.“
Dolmetscher Gottes. Franz Jägerstätter bezeugt den biblischen Gott gegen die Götzen Hitlers. So war er ein Dolmetscher Gottes in einer Zeit der gott- und menschenverachtenden Barbarei und verleiblichte das „Ich widersage“ des Taufbekenntnisses gegenüber den Verlockungen und Verführungen des Bösen, gegen Vergötzungen von Nation und Rasse. Franz Jägerstätter bezeugt den personalen Gott als Herrn und Freund des Lebens. Er bringt den Gott der Bibel existentiell (mit seinem ganzen Leben) zur Sprache. Er weiß sich vom Unbedingten in einer Welt des Beliebigen in Anspruch genommen.
Widerstand und Freiheit. Die voll entwickelte Fähigkeit zum Widerstand und zum Neinsagen ist der einzig gültige Hintergrund des Ja, und beide geben realer Freiheit erst ihr Profil. Im Glauben nimmt der Christ teil an der Vorliebe Gottes für Mensch und Welt (Weish 11, 23–26; Dtn 30, 15–20; Joh 10, 10; 2 Kor 1, 20; 2 Kor 8, 9). Glauben ist Hören und Annehmen des endgültigen Ja-Wortes Gottes, der irreversiblen Zusage.
Unterscheidung der Geister. Die christliche Botschaft ist lebensfreundlich, ja, sie ist geradezu eine Chiffre für schöpferische Lebensfreundlichkeit. Glaube als freies Antwortgeschehen auf die Selbstmitteilung Gottes ist der Mitvollzug dieser Option Gottes für Mensch und Welt. Er schließt eine Option und eine Lebenswahl ein. Er bedeutet – um des Ja willen – auch Abschied und Absage. Man kann nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon (Mt 6, 24). Die Kraft der Entscheidung für das Reich Gottes zeigt sich im Mut zum Nein gegenüber Götzen, dem Mammon (Mt 6, 19–21), gegenüber kollektiven Egoismen, zerstörenden Mächten, Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Ein Gebot der Stunde ist die Unterscheidung der Geister (1 Thess 5, 21; 1 Joh 4, 1) zwischen fanatischen und zerstörerischen bzw. erlösenden und befreienden Gottesbildern, zwischen Jesus Christus und Verführern, zwischen dem Geist und dem Ungeist.
Sein Weg des Glaubens (2)
Eine Reihe von Bischof Dr. Manfred Scheuer zur Seligsprechung am 26. Oktober 2007
Franz Jägerstätter 1907–1943
Sein Weg des Glaubens
Eine Reihe von Bischof Dr. Manfred Scheuer zur Seligsprechung am 26. Oktober 2007
Manfred Scheuer hat sich als Mitglied der theologischen Kommission und als Postulator im diözesanen Seligsprechungsverfahren intensiv mit dem Leben und Glauben von F. Jägerstätter befasst.