Leben über den Tod hinaus. Eine Reihe von Univ.Prof. Dr. Jozef Niewiadomski – Ende der Reihe
Ausgabe: 2007/47, Niewiadomski, Allerheiligen, Allerseelen, Tod, Liebe, Gnade, Menschengerechtigkeit, Jedermann, Leben über den Tod hinaus, Hoffnung, Sackgasse
21.11.2007
Vom Angebot der Liebe – über den Tod hinaus
Jedes Jahr findet es auf dem Salzburger Domplatz statt, das Spiel vom Leben und Sterben des reichen Jedermann. Nackt und bloß steht er vor Gott. Vor Menschengerechtigkeit würde er kaum Gnade finden. Doch Gott ist auch im Gericht noch Liebe, die der Mensch annehmen kann – oder auch nicht.
Ob alt oder jung, ob krank oder gesund: wir alle werden sterben und im Tod Gott begegnen. Bei diesem Gedanken trat unseren Großeltern oft der Schweiß auf die Stirn. Sie wussten ja, dass sie im Zustand der Todsünde sterben und so ihr Leben verwirken könnten. Deswegen war ihnen die „Beichte am Sterbebett“ wichtig – und auch der Hoffnungsschimmer, dass es das Fegfeuer gibt. In diesem konnte ja all das, was unversöhnt in ihrem Leben geblieben war, noch abgebüßt werden. Tröstlich war der Glaube, dass auch die Lebenden sich an dieser Buße beteiligen können: durch Messfeier, Gebet und gute Werke. Trotz aller Ängste ging ihnen also die Hoffnung nicht verloren.
In der Sackgasse. Was Todsünde ist, das weiß heute kaum jemand mehr und auch mit dem Fegefeuer können die meisten nicht allzu viel anfangen. Doch die Angst davor, dass ich das Leben verwirke, sitzt mir tief in den Knochen. Jeder weiß es: Millionen, ja Abermillionen von Menschen stecken gefangen in Sackgassen. Tagtäglich fällt ihnen die Decke auf den Kopf. Und sie haben das Gefühl, dass sie nur noch fallen und fallen und fallen. Depression ist ja heutzutage nicht nur der Name für eine psychische Störung. „Selber schuld!“ werden viele sagen und still hoffen, dass sie niemals in der Sackgasse der Ausweglosigkeit landen. Oder sich damit „vertrösten“, dass sie dann „einen kurzen Prozess“ mit sich machen. Als ob das die Antwort auf jene Angst vor dem verwirkten Leben wäre, die schon unseren Großeltern den Schweiß auf die Stirn getrieben hat.
In den Abgrund aus Liebe. „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, schreit Jesus am Kreuz. In seinem Sterben fällt der menschgewordene Sohn Gottes so tief, wie kein Mensch in seinem eigenen Leben zu fallen vermag. Und weil er so tief fällt, bleibt er immer eine Stufe tiefer als ich in all der Ausweglosigkeit meines Lebens. Und auch in der möglichen Ausweglosigkeit meines eigenen Sterbens. Selbst also dann, wenn ich mein Leben verwirken und im Zustand der Hoffnungslosigkeit sterben sollte, wird mich dieser Christus auffangen. Und mich auch begleiten zur Begegnung mit dem dreifaltigen Gott. Dorthin, wo ich mich immer noch entscheiden kann für seine Ewigkeit.
Nicht ohne Mitmenschen. Eines soll aber klar sein: diesen seinen Himmel gibt es ohne all die konkreten Menschen aus meinem Leben nicht! Auch nicht ohne jene, denen ich im Leben aus dem Weg gegangen bin. Auch wenn der Gedanke daran mir unter Umständen den Schweiß auf die Stirn treibt, vertraue ich darauf, dass sich die Begegnung mit ihnen zu einem Gericht verwandelt – aber zu seinem Gericht! Von Christus „aufgefangen“ und „aufgerichtet“ werden wir nämlich – gerade diejenigen, die so vieles im Leben verwirkt haben – „Ja“ sagen können. Und wir werden auch anderen dazu verhelfen können, dass sie „Ja“ sagen. „Ja“ zu Gott und seiner Ewigkeit. Und auch zu uns.
Hoffnung über die Grenze des Todes. So paradox es klingen mag: Nur die Vision einer solchen Hoffnung kann die Grenze des Todes überschreiten. Denn sie lässt Lebende und Tote gemeinsam an ihr Anteil haben. Nur „das Feuer“ stellvertretender Liebe kann auch die Ausweglosigkeit des verwirkten Lebens verbrennen. Schon jetzt im Leben und erst recht dann: nach dem Tod! Deswegen ist übrigens auch das Gebet für die Toten und das Tun des Guten in deren Namen wichtig. Für die Toten selbst und auch für uns, die Lebenden. Für die von der Sackgasse des verwirkten Lebens bedrohten!