Während des Jahres der Barmherzigkeit, das am 20. November endet, bot und bietet die Foto-Künstlerin Claudia Henzler Erlebnis-Workshops an, um sich dem Thema Barmherzigkeit zu nähern und „einen sanften Blick zu schulen“.
Ausgabe: 2016/46
15.11.2016 - Susanne Huber
In Ihren aktuellen Workshops geht es darum, mit den Augen der Barmherzigkeit zu schauen. Wie schult man den „sanften Blick“?
Claudia Henzler: Ich glaube, die Fotografie ist eine kreative Möglichkeit, wie man das Thema tiefsinnig, aber auch spielerisch angehen kann. Mir geht es vor allem um die Thematik, um den sanften Blick, deswegen nenne ich es auch Erlebnis-Workshop, nicht Foto-Workshop. Die Teilnehmer werden darauf eingestimmt, mit barmherzigen Augen zu schauen – auf sich und auf andere. Und sie definieren mit, welche Bedeutung Barmherzigkeit hat. Das ist nicht für jeden gleich. Manche sagen, der Begriff ist altbacken, da zieht es einem die Schuhe aus. Dann wird nach anderen Begriffen gesucht wie weit- oder weichherzig. Es geht um die Bedeutung, die dahinter steckt. Durch das Miteinanderreden öffnen sich plötzlich Horizonte. Man nähert sich dem Begriff an und erst wenn man ihn spürbar macht, kann man den „sanften Blick“ auch praktisch leichter umsetzen, fotografieren.
Wie läuft der Workshop ab?
Claudia Henzler: Den Prozess vergleiche ich gerne mit einer Blume, die sich öffnet. Man lernt sich kennen, baut Vertrauen auf, greift barmherzige Momente aus dem Leben raus, die in Gruppen, meist zu zweit, besprochen werden. Das Verborgene wird sichtbar gemacht – zunächst durch Worte und in weiteren Schritten durch Bilder. Es gibt Übungen, man fotografiert sich gegenseitig, zunächst spontan und dann noch einmal, nachdem man sich auf das Thema eingestimmt hat. Auf den Fotos kann man allein an den Augen ablesen, wie sehr sich der Blick verändert.
Offiziell geht das Jahr der Barmherzigkeit am 20. November zu Ende ...
Claudia Henzler: ... aber die Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Thema geht weiter. Für viele war es ein erster Schritt, tiefer über die Bedeutung von Barmherzigkeit nachzudenken. Eine Tür hat sich geöffnet, auch für mich. Mir ist die Qualität von Barmherzigkeit bewusster geworden. Ich habe hingeschaut und schaue hin, was es mit dem barmherzigen Samariter, der seinen Mantel mit einem Armen teilt, auf sich hat, und frage mich, was hat das mit meinem Leben zu tun.
Was bedeutet es für Sie, barmherzig zu sein?
Claudia Henzler: Für mich ist es ein Zusammenspiel verschiedener Dinge, etwa dem anderen auf Augenhöhe zu begegnen. Es ist einmal die Aktion, die bei mir liegt, mir selbst oder anderen gegenüber barmherzig und weichherzig zu sein; sich und andere wert zu schätzen, zu vergeben und zu verzeihen, auf jemanden zuzugehen, über den eigenen Schatten zu springen, auch wenn es schwer fällt. Auf der anderen Seite geht es um Reaktion – das Herz zu weiten und es zuzulassen, wenn mir gegenüber jemand gut ist. Manchmal lässt es der Stolz oder die Angst, verletzt zu werden, nicht zu, uns zu öffnen. Barmherzig sein oder Barmherzigkeit annehmen – ich denke, es ist ein Lernen bis zum Lebensende.
Claudia Henzler ist Foto-Künstlerin und lebt in Salzburg. Die gebürtige Heidelbergerin ist Preisträgerin des „St. Leopold Friedenspreis für humanitäres Engagement in der Kunst“. Die Termine zu ihren aktuellen Workshops finden Sie unter: www.henzlerworks.com/termine/