Ausgabe: 2009/40, Wirtshaus, kommunikationsunfähigkeit, Kirche, Pausch, Ratzenböck, Janko
05.10.2009 - Ernst Gansinger
„Das Wirtshaus ist ein Ventil gegen die Kommunikationsunfähigkeit der Männer“ (Pausch). Foto: Agentur Waldhäusl
Wenn sich die Braunauer Zeitgeschichte-Tage vom 2. bis 4. Oktober (siehe Zitate unten) mit dem Wirtshaus als politischen Ort befassen, wird es wohl oft auch um diese Fragen der Beziehung und des Miteinander-Redens gehen. Und es wird immer wieder ein Naheverhältnis angesprochen werden – das von Kirche und Wirtshaus. Ein Naheverhältnis, das weit über den „Kirchenwirt“ hinausgeht.
„Die Kirche ist das Wirtshaus des lieben Gottes“, sagt Pater Dr. Johannes Pausch. „Es gibt da keine Trennung. Selbst die, die sich als ungläubig bezeichnen, gehen ins Wirtshaus, um genau das zu erleben, was sie auch in der Kirche erleben: Beziehung!“
Ein guter Wirt erspart Psychiater. Mehrere prominente Wirtskinder werden bei diesen Tagen ihre Erlebnisse erzählen. Etwa Altlandeshauptmann Dr. Ratzenböck. Während seiner 18-jährigen Landeshauptmannzeit hat er bei der Übergabe der Konzessionsdekrete an angehende Wirte immer auf die Bedeutung der Wirte hingewiesen: „Ein guter Wirt erspart drei Psychiater“, pflegte er zu sagen. Ob Ratzenböck oder der aus Simbach stammende und an der Passauer Universität lehrende Dr. Hans Göttler, ob der Linzer Kulturdirektor Mag. Siegbert Janko oder P. Johannes – sie alle waren Wirtshausbuam und denken heute mit guten Gefühlen an ihre Kindheit und Jugendzeit zurück. Da war das Wirtshaus natürlich auch ein politischer Ort, ein Ort, an dem die Leute miteinander ins Reden kamen.
Dampf ablassen. Im elterlichen Wirtshaus in St. Leonhard bei Freistadt, wo Siegbert Janko aufwuchs, ist viel diskutiert worden. Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten und gesellschaftlicher Gruppen trafen sich, haben angesprochen, was ihnen am Herzen und auf der Zunge lag. Dieses ländliche Wirtshaus der Fünfziger- und Sechziger-Jahre des letzten Jahrhunderts hat Janko als sehr politischen Ort in Erinnerung, „wo viel Dampf abgelassen wurde. Da hat man auch einmal wütend seine Meinung gesagt. Dann aber war die Luft draußen und man hat sich wieder zugeprostet ...“
Konkurrenz Fernseher. Heute gehen die Leute auf sieben Uhr abends heim zum Fernsehen, sieht Janko einen Grund für schwindenden Wirtshausbesuch. Die Wirtshäuser, in denen man miteinander redet, sind rarer. Auch wird nicht mehr so viel Karten gespielt. Das Speise-Wirtshaus ist dafür im Kommen. Ähnlich kommentiert es auch Pater Pausch: „Such ich die Kommunikation nicht mehr, bleibe ich daheim beim Fernseher.“
Uninteressantes Fastfood. Des Priors Erinnerung ans Wirtshaus seines Großvaters ist auch eine Erinnerung ans Miteinander-Reden. Pausch findet viele Vergleich zwischen Kirche und Wirtshaus: Etwa, wenn er meint, an der Schank erfahren Kellnerin oder Wirt ähnlich viel wie der Priester im Beichtstuhl. „Gibt es da ein Verstehen, kann Veränderung passieren!“ Es liege am Personal, dass das „Gasthaus Kirche“ immer weniger ankommt, mahnt Pausch. Es sei wie mit einer Fastfood-Hütte, in der immer nur das aufgewärmte Dosengulasch serviert wird. Das interessiere die Menschen nicht. Die Kirche könne vom guten Wirtshaus lernen: „Gutes Service bieten, die Speisekarte ausmisten und verbessern. Das Essen und Trinken muss Niveau haben!“ Beiden Orten, dem Wirtshaus wie der Kirche, würde wieder mehr menschliche, gesunde Kommunikation gut tun.
Zitate
„Wirtshaus war für mich immer etwas Positives. Wenn es ginge, ich tät jedem empfehlen, in einem Wirtshaus aufzuwachsen. Im Wirtshaus bist nah dran am echten Leben.“ „Das Wirtshaus war wichtig für die Vereine. Das ist mit der Zeit weniger geworden, denn viele haben ihre eigenen Vereinshäuser gebaut.“
Dr. Hans Göttler, Universität Passau, Vorsitzender der Katholischen Erwachsenenbildung des Bistums Passau
„In unserem Gasthaus ist auch über Politik geredet worden. Wir waren das schwärzeste Gasthaus. In der Nazizeit hat man sich auch Nachrichten von Auslandssendern zugeflüstert. Das dürfte dann auch einmal angezeigt worden sein. Die Gestapo hat den Pfarrer und den geistlichen Herrn sowie einen bekannten Christlich-Sozialen ins KZ gebracht. Die beiden Geistlichen haben überlebt.“„Jeder Politiker sollte eine Zeitlang im Wirtshaus arbeiten müssen, da lernt er bedienen, freundlich sein und auf die Wünsche der Gäste eingehen.“
Altlandeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck
„Das Wirtshaus hat eine einfache Technik, die sehr christlich ist: Jemandem einen Platz und ihm zu essen und zu trinken geben. Mehr braucht es nicht. Das gehört seit alters her zu den Grundlagen des Glaubens. Ein guter Pfarrer muss die Qualitäten eines guten Wirtes haben und ein guter Wirt muss etwas Seelsorgliches haben.“
Prior P. Dr. Johannes Pausch
- 18. Braunauer Zeitgeschichte-Tage, 2. bis 4. Oktober, Kultur im Gugg, Palmstraße 4, Braunau. Beginn: Freitag, 2. Oktober, 19.30 Uhr, ab 20 Uhr „Wirtshausbuam-Geschichten aus Bayern und Oberösterreich“ mit Dr. Hans Göttler und Altlandeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck. Samstag, 3. Oktober, ab 9 Uhr verschiedene Vorträge. Sonntag, 10 Uhr, Stammtisch im Gasthaus Wolfsgruber, Hoftaverne Ranshofen. Eintritt frei. http://www.hrb.at/bzt/