Das Emmaus Frauenwohnheim nimmt sich von Wohnungsnot betroffener Frauen an. Mit strengen Regeln sollen sie wieder zurück in ein normales Leben finden. Eine Reportage zur KirchenZeitungsserie über das Freiwillige Soziale Jahr.
Ein schneidend kalter Wind bläst durch die Straßen von St. Pölten. Der Wetterbericht kündigt den ersten Schnee an. Kein Wintermärchen, sondern ein Abtraum ist das für obdachlose Menschen. Noch öfters als sonst klingelt es momentan an den Türen des Emmaus Frauenwohnheims. Das Haus hat 23 Plätze, davon vier Notschlafstellen, und bietet von Wohnungsnot betroffenen Frauen eine Bleibe. Hier leistet Patricia Karner (20) aus Scheibbs seit September ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Sie putzt, backt, bastelt mit den Frauen, erledigt Einkäufe und hört sich ihre Lebensgeschichten an.
Versteckte Frauennot. 1,5 Euro kostet eine warme Mahlzeit im Wohnheim. Heute gibt es Gulasch mit Knödel. Die Frauen machen einen gepflegten Eindruck, kaum einer sieht man die Notsituation an. Ein typisches Bild, wie Heimleiterin Christa Hausmann erklärt: „Obdachlosigkeit und Armut sind bei Frauen meis-tens versteckte Phänomene“. Am Mittagstisch sitzt auch Tina. „Gemeinsam essen schmeckt besser“, sagt die 42-jährige. Bevor es Mittagessen gibt, spielt Patricia noch eine schnelle Runde Rummikub mit Tina*. „Pech im Spiel“, kommentiert die 42-jährige ihre Niederlage: „Jetzt müsste sich bei mir das Glück in der Liebe noch einstellen.“
Jugendliche Autorität. „Du könntest ja meine Tochter sein“, bekommt Patricia von den älteren Frauen öfters zu hören. „Bin ich aber nicht“ sagt die 20-jährige darauf nur. Trotz ihres jugendlichen Alters zeigt Patricia Autorität. Das Betreuerteam fordert klare Regeln ein: Es gibt kein unerlaubtes Rauchen im Essensraum, keinen Tropfen Alkohol und kein lautes Zuschlagen von Türen. Wer sich schlecht benimmt, bekommt Schlechtpunkte im Vorwarnsystem. Klare Vorgaben an die Frauen zu setzen, hat sich Patricia vor dem Einsatz vorgenommen. „Das klappt bisher ganz gut“, erzählt sie. Patricia hat offenbar ihren Traumberuf gefunden. „Wenn die Frauen gerne mit mir reden und ein Vertrauen zu mir aufbauen, ist das die größte Freude.“
Der Hölle entkommen. „Streng, aber lieb“ beschreibt Bettina das System im Emmaushaus. Mit ihrer lauten Stimme wirkt die 44-jährige sehr selbstbewusst und fröhlich. Ganz anders ging es ihr vor einem Jahr. „Ich war in der Hölle“, erzählt sie. Ihr Ex-Freund schmiss sie mitten in der Vorweihnachtszeit aus der Wohnung. Andere feierten, Bettina weinte, sah keinen Sinn mehr im Leben. Sie versank im Suff. „Ich konnte mir nicht einmal mehr ein Butterbrot schmieren.“ Im Frauenwohnheim fand Bettina Unterschlupf. Nach einigen Rückschlägen ging es langsam wieder bergauf. „Seit 1. Jänner bin ich trocken“, erzählt Bettina stolz.
Freude auf Weihnachten. „Erfolg ist, wenn die Frauen ihr Leben wieder in den Griff bekommen“, meint Heimleiterin Hausmann. „Oft geschieht das in kleinen Schritten.“ So wie bei Bettina, die schon bald auf eigenen Füßen stehen will. Arbeit hat sie bereits gefunden. Mit ihrem neuen Freund will sie bald in eine eigene Wohnung ziehen. Bettina: „Das erste Mal seit langer Zeit freue ich mich heuer wieder auf Weihnachten.“