Seit letzten Sommer ist Severin Witzany (19) aus St. Georgen an der Gusen Gedenkdiener in Theresienstadt. Was er an den Holocaust-Überlebenden bewundert und wieso sich Schüler mit rechtem Gedankengut nicht so einfach bekehren lassen, erzählte er der KirchenZeitung.
Theresienstadt, 60 Kilometer nördlich von Prag. Während des Zweiten Weltkriegs sind hier zigtausende Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht. Nüchterne Zahlen lassen das Terrorregime der Nazis im jüdischen Ghetto in Theresienstadt nur erahnen. Ein Beispiel: Von 15.000 Kindern, die hier insgesamt untergebracht waren, überleben nicht einmal 150. Als Vorhof der Hölle bezeichnet es der Überlebende Carlo Ross. Führung von Schulklassen. Seit dem letzten Sommer ist Severin Witzany in Theresienstadt im Einsatz. Weil er geschichtlich sehr interessiert ist und weil er bei seinem Wehrersatzdienst etwas Sinnvolles machen wollte. Gemeinsam mit einem zweiten jungen Mann ist Severin Witzany ein Jahr lang vorwiegend für die Führung von Schulklassen durch das Gedenkareal zuständig. Ganz wichtig ist eine gute Vorbereitung der Schüler/innen, bevor sie nach Theresienstadt kommen, weiß Severin Witzany. „Was nicht funktioniert, ist, wenn Lehrer meinen, sie können Schüler mit rechtem Gedankengut alleine durch den Besuch in Theresienstadt bekehren. Das geht meistens schief.“ Denn es brauche eine ernsthafte, tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Thema.
Lebensfreude bewahrt. Was das betrifft, hatte Severin Witzany einen Startvorteil gegenüber Gleichaltrigen. Praktisch von klein auf war der 19-jährige mit dem Thema „Holocaust“ konfrontiert: Dadurch, dass seine Mutter ehrenamtlich Führungen in den Lagern Mauthausen und Gusen macht, waren bei den Witzanys die KZ-Überlebenden sehr häufig zu Gast. „Sie haben auf mich immer einen sehr positiven Eindruck gemacht.“ Auch heute in Theresienstadt bewundert er das an den Überlebenden: „Sie konnten sich trotz all dem Schrecklichen eine große Lebensfreude bewahren.“ Oftmals spürt er bei ihnen außerdem die große Hoffnung, dass die nächsten Generationen aus den Schrecken der Vergangenheit lernen. „Sie wissen, dass sie die letzten Zeitzeugen sind, die ihre Erfahrungen direkt weitergeben können.“Besonders spürbar wird in Theresienstadt der große Zynismus der Nazis. So hatten diese eigens einen Propagandafilm über Theresienstadt drehen lassen, der das Leben im Ghetto als angenehm und beschaulich darstellt. Den Glauben an die Menschheit verliert er dabei nicht, betont der Maturant: „Die Menschen sind leider anfällig für einfache Parolen. Das Positive daran ist, dass all das Schreckliche, das passiert ist, überwunden werden konnte.“
Gedenkdienst
Seit 1992 entsendet die Organisation Gedenkdienst Freiwillige in Länder, in denen die Nazis und ihre Helfer/innen Verbrechen begingen oder in denen Überlebende der Mordmaschinerie heute leben. www.gedenkdienst.at