Wer Katharina von Siena nur als fromme Mystikerin des 14. Jahrhunderts sieht, tut ihr bei Weitem Unrecht. Ihre Lebensgeschichte ist für mich die einer modernen, selbstbewussten Power-Frau. Eine, die wusste, wo sie im Leben stand. Eine, die wusste, dass sie aus der Gnade des Glaubens heraus etwas zu sagen hatte und sagen musste.
Mich beeindruckt sehr, dass sie sich innerhalb von nur 33 Lebensjahren den Ruf als unbequeme Ratgeberin aufgebaut hat. Eine populäre, junge Ordensfrau, auf die sogar der Papst gehört hat. Nicht nur in kirchlichen Belangen war die hl. Katharina gefragt. Die 380 erhaltenen Briefe behandeln auch politische und gesellschaftliche Fragen. Dokumente belegen, dass sie nicht mit scharfer Kritik an Welt und Kirche sparte. Dass so früh in der Kirchengeschichte ausgerechnet eine Frau den Ton angibt, zeigt mir: Es ist im Leben oft mehr möglich, als man sich zuerst vorstellen kann.