Die Liturgie in der Volkssprache, gefeiert am „Volksaltar“ – das waren für die meisten Menschen die ersten und augenscheinlichsten Früchte des II. Vatikanischen Konzils.
Dass die Konstitution über „die heilige Liturgie“ als erstes Dokument des Konzils verabschiedet worden ist, kann mit Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. als eine glückliche Fügung angesehen werden. Die Kirche dokumentiert damit, dass sie ihre Mitte nicht in sich selbst, sondern in Gott hat. Ein Grundmotiv, das dann auch in den Konstitutionen über die Kirche und über die Offenbarung deutlich hervortritt.
Was ist Liturgie? Liturgie ist die Feier des Gottesdienstes der Kirche. Liturgie hat eine Richtung „von unten“, von den Menschen zu Gott, und eine Richtung „von oben“, von Gott zu den Menschen. Sie ist Feier des auferstandenen und gegenwärtigen Herrn Jesus Christus und Feier mit ihm. Sie ist ausgerichtet auf die Verherrlichung Gottes und Teilnahme an der Erlösung durch Tod und Auferstehung Jesu. Deshalb wird sie vom Konzil als Höhepunkt und Quelle des Lebens der Kirche bezeichnet.
Wer feiert die Liturgie? Das Konzil macht klar, dass die Liturgie bzw. die Sakramente nicht mehr allein von geweihten Amtsträgern, die ihre unverzichtbare Rolle haben, gefeiert werden, sondern von der ganzen zum Gottesdienst versammelten Kirche. Daraus ergibt sich, was manche als den „Kehrvers“ der Liturgiekonstitution angesehen haben: die Aufforderung zur „tätigen Teilnahme“ (actuosa participatio) aller Feiernden, das heißt alle sollen je auf ihre Weise innerlich und äußerlich an der Feier aktiv teilnehmen.
Wie wird das konkret? Eine erste Konsequenz war die Verteilung der Aufgaben, wie sie in der konziliaren Liturgie praktiziert wird: Neben dem Priester gibt es den Diakon sowie Männer und Frauen als Ministranten, Lektoren, Kantoren usw. Was die Sprache in der Liturgie betrifft, hält die Liturgiekonstitution selbst grundsätzlich an der lateinischen Sprache fest; Lesung(en), Evangelium und andere Gebete können und sollen aber in der Muttersprache vorgetragen werden. Die konkrete Regelung hat das Konzil den Bischofskonferenzen überlassen. Auf dieser Ebene wurde die Möglichkeit, den ganzen Gottesdienst in der Muttersprache feiern zu können, mit Freude und Dankbarkeit aufgenommen. Die vom Papst approbierten Messbücher in den Landessprachen haben diese Entwicklung besiegelt. Nicht zuletzt ist hier auch noch die Einführung des so genannten „Volksaltares“ zu nennen. Er kommt in der Liturgiekonstitution noch nicht vor, setzt sich aber nach dem Konzil sehr rasch durch. An die Stelle der Vorstellung vom pilgernden Gottesvolk, an dessen Spitze und in dessen Namen der Priester am Hochaltar vor Gott tritt, tritt die Vorstellung der um den auferstandenen Herrn versammelten Gemeinde.
Die Aufträge. In gewisser Weise hat sich die Liturgiereform des II. Vatikanums auf Grund ihrer handgreiflichen Ergebnisse am tiefsten im Bewusstsein der Kirche eingeprägt. Das Konzil selbst hat für die Zeit nach seinem Abschluss einige Aufgaben formuliert. Zu nennen ist in erster Linie die Erstellung eines neuen Messbuches, einer neuen Leseordnung (mehr Bibelwort in drei Lesejahren!) und neuer Ritualien für die Feier der Sakramente.
Das Zitat
Die Konstitution über die heilige Liturgie (Sacrosanctum Concilium) wurde am 4. Dezember 1963 verabschiedet. Die Mutter Kirche wünscht sehr, alle Gläubigen möchten zu der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt und zu der das christ- liche Volk, „das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, der heilige Stamm, das Eigentumsvolk“ (1 Petr 2,9 u. a.) kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist. Diese volle und tätige Teilnahme des ganzen Volkes ist bei der Erneuerung und Förderung der heiligen Liturgie aufs stärkste zu beachten, ist sie doch die erste und unentbehrliche Quelle, aus der die Christen wahrhaft christlichen Geist schöpfen sollen.