In Deutschland erreichen 6,5 Prozent aller Schulabgänger keinen Hauptschulabschluss. In Oberösterreich weisen die Statistiken zwischen 5 und 7 Prozent der Pflichtschüler ohne Abschluss aus. Ist für sie Schulschluss der Start in eine Zukunfts-Sackgasse?
Ausgabe: 2012/28, Christian Winkler, Zeugnis, Schule, Start, Hürden, Hauptschulabschluss, Lehre
Nein, muss es nicht sein, ist die Auskunft, wenn man sich umhört. Aber der Start in die Zukunft ist ungleich hürdenreicher.
Lehre ohne Hauptschulabschluss. Christian Winkler, Geschäftsführer der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung, spricht von einem Handicap fürs weitere Leben, von einem Makel, den man mitschleppt. Man kann, darauf weist die Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich, Mag. Anna-Maria Hochhauser, hin, auch ohne Hauptschulabschluss eine Lehre machen. So die Theorie. Die Praxis sehe laut Stefan Nagl anders aus. Er ist Trainer bei ju-can, dem Begleitungs- und Bildungsangebot der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung für Jugendliche, die vergeblich einen Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz suchen. Seine Erfahrung ist, dass die Arbeitgeber auf den Bildungsabschluss schauen. Fehlt der, ist die Chance auf eine Lehre gleich null. Manche der fast 40 Teilnehmer/innen an den bisher drei ju-can-Kursen haben den Hauptschulabschluss nachgeholt. Verschiedene Bildungsträger bieten Kurse an, etwa das BFI, VSG – Learn, Verein M.A.I.Z – Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen und die Volkshochschule Linz. „Man schafft es, aber leicht wird es einem nicht gemacht!“, resümierte eine erfolgreiche Kursteilnehmerin.
Die Fehlauskunft vom Zeugnis. Es bleibt ein Stigma. Erst viel später wird positiv gesehen, was Menschen, die den Abschluss dann nachgeholt haben, leisten, wie sehr dies eine hohe Zielstrebigkeit und eine gute Eigenständigkeit beweist. Lange steht im Vordergrund: Warum hast denn die Schule nicht gleich positiv gemacht? – Es gibt viele Gründe, die Jugendliche auf dem Schulweg scheitern lassen. Im Zeugnis sind diese Gründe nicht abgebildet. Und noch eines macht das Zeugnis: Es lässt scheitern auch wegen einer Schwäche. Mathematik 5, heißt dann: Anschluss an die Zukunft verpasst oder verspätete Abfahrt.
760 im Nirgendwo. In Oberösterreich besuchten mehr als 108.000 Buben und Mädchen im abgelaufenen Schuljahr Volksschulen, Hauptschulen, Polytechnische Schulen bzw. Sonderschulen. Etwas mehr als fünf Prozent brechen die Hauptschule ab, sagt Bildungsexperte Dr. Fritz Bauer von der Arbeiterkammer. „Ganz offensichtlich kommt schon ein erheblicher Anteil an Kindern gar nicht in die Berufsbildung rein. Daraus ergibt sich dann eine unglaublich hohe Zahl von Jugendlichen ohne abgeschlossene Berufsausbildung.“ Sie bleiben im Erwerbsleben überdurchschnittlich benachteiligt, fasst Bauer zusammen. Christian Winkler füttert diese Aussage mit Zahlen: In Oberösterreich kommen etwa 760 Schulabgänger/innen eines Jahrgangs nicht in der Arbeitswelt an, sind nicht erwerbstätig, machen keine Lehre, besuchen keine Schule, sind nicht arbeitslos gemeldet. Von den 15- bis 19-Jährigen sind etwa 15 Prozent arbeitslos, in Schulungen oder als Lehrstellen suchend gemeldet.
Ausbildungspflicht. Anna-Maria Hochhauser, Generalsekretärin der Wirtschaftskammer, nennt die Tatsache, dass es „zu viele Pflichtschulabgänger ohne positiven Schulabschluss gibt, einen Missstand“. „Es soll kein Jugendlicher ohne Abschluss bleiben.“ Den Hauptschulabschluss nachholen soll daher kostenlos sein. Sie befürwortet eine Ausbildungspflicht und dass diejenigen, welche aufgrund schulischer Ausbildungs- und Wissensmängel nicht sofort einen Lehrplatz in einem Unternehmen finden, in überbetrieblichen Ausbildungen fit gemacht werden.