Richard Pichler hat als promovierter Mediziner begonnen, Theologie zu studieren. Nun hat der 28-Jährige einen weiteren außergewöhnlichen Entschluss gefasst: Er wird sein Studium für ein Jahr unterbrechen, um gemeinsam mit seinem Studienkollegen Gabriel Bamberger (30) ein Jahr als Missionar in Graz zu arbeiten.
Missionsarbeit in Graz, darunter kann man sich schwer etwas vorstellen. Was wollt ihr in diesem Jahr machen? Richard Pichler: Wir möchten mit Studierenden Freundschaften aufbauen, mit ihnen ins Gespräch kommen und sie für eine persönliche Beziehung zu Gott gewinnen. Auf diese Weise wollen wir das weitergeben, was wir in den vergangenen Jahren selber erlebt und erfahren haben. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir gemeinsam den Glauben nüchtern intellektuell reflektieren. Auch die Auseinandersetzung mit den Fragen unserer Zeit und der Dialog mit den Naturwissenschaften sind uns wichtig.
Warum macht ihr das? Viele junge Menschen – einschließlich ich selber – sind auf der Suche nach einer Antwort auf die große Frage: Wie kann ich ein geglücktes Leben führen? Es gibt heute unzählige Modelle, die uns die Lösung dieser Frage versprechen, aber bei den meisten geht es nur darum, das Leben mit Vergnügungen auszufüllen – vom Extremsport bis zum Vollrausch. Ich habe das ausprobiert. Wirklich wahre Freude fand ich dadurch aber nicht. In den vergangenen Jahren suchte ich nach befriedigenderen Antworten auf die Themen, die uns Heranwachsende beschäftigen: Wie wir Freundschaften, partnerschaftliche Beziehung, unsere Sexualität etc. gelingend leben können. Ich fand sie in einer persönlichen Beziehung zu Gott und in der Lehre der katholischen Kirche. Gabriel und mir geht es darum, auch andere Studierende zu einer bewussten Entscheidung zu führen, wie sie ihr Leben gestalten wollen.
Wie wollt ihr eure Ziele konkret verwirklichen? Weil ich den Glauben als wertvoll und bereichernd für mein Leben erfahre, möchte ich anderen, die noch keinen Bezug dazu haben, einen Zugang zu diesem Reichtum eröffnen. Das geht am besten über Freundschaften und persönliche Beziehung: Wir möchten Studierende, die wir bereits kennen, bei verschiedenen Veranstaltungen und Aktivitäten zu einer tieferen Glaubenserfahrung führen. Über diese Freunde, die wir einladen, wiederum Freunde mitzubringen, möchten wir auch Studierende erreichen, die bisher überhaupt keinen Kontakt zur Kirche hatten. Woher kommt dein starker Glaube? Glaube hat für mich viel mit Vertrauen zu tun. Dieses habe ich wahrscheinlich durch eine sehr liebevolle Erziehung während meiner Kindheit entwickelt, für die ich sehr dankbar bin. Die konkrete Auseinandersetzung mit Gott als Person begann erst in meiner Studienzeit, als mich ein Studentenseelsorger mit der entscheidenden Frage konfrontierte: Richard, bist du glücklich? Das war für mich der Anstoß, mein Leben neu zu überdenken. Ich musste mir eingestehen, dass es ziemlich mittelmäßig war! In mir entstand eine Sehnsucht nach mehr; ich begann regelmäßig zu beten und die Stille zu suchen, was am Anfang gar nicht so leicht war. Aber die Bemühung hat sich gelohnt!
Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Missionsprojekt zu starten? Dass ich heuer dieses Missionsjahr mache, ist eine Folge meines bisherigen Glaubensweges. Ich habe schon in den letzten Jahren Katechese- und Bibelgruppen geleitet und dabei gemerkt, wie viel Freude mir das bereitet, aber auch wie viel Zeit eine gute Vorbereitung braucht! Dafür wollte ich mehr Raum haben. Den entscheidenden Anstoß erhielt ich schließlich letztes Jahr auf dem Weltjugendtag in Madrid, wo wir eine Gruppe amerikanischer Studenten kennen lernten. Deren Idee ist es, dass Studenten nach Abschluss ihres Studiums ein bis zwei Jahre am Campus missionieren. Das hat mich sofort angesprochen!
Was erwartest du dir für dich von diesem Jahr? Ich glaube, dass es eines meiner glücklichsten Jahre werden wird!