„Meine Motivation sieht mich jeden Tag beim Frühstück an“
Mit seiner ganz persönlichen Interpretation eines Nahversorgers sorgt Bernd Fischer in Losenstein seit rund vier Jahren für Aufsehen. Seine Philosophie solidarischer Ökonomie wird aber seit der Ansiedelung einer großen Supermarktkette auf die Probe gestellt.
Ausgabe: 2015/16, Greißler, Fischer, Losenstein
14.04.2015 - Dominik Hennerbichler
Beim Betreten des Geschäfts ist auf den ersten Blick nicht viel Unterschied zu anderen Nahversorgern zu erkennen. Es sind die typischen engen Gänge, die Regale sind voll. Erst bei genauerem Hinsehen fallen einem dann doch diverse Unterschiede auf. Zwischen den Markenprodukten finden sich selbstgemachte Marmeladen, regionale Nudeln oder Limonaden, die auf jegliche Zusatz- oder Ersatzstoffe verzichten. Erdbeeren im Winter sucht man dafür vergebens. Ebenfalls ein Teil der Philosophie. Was nicht Saison hat, gibt es nicht.
Ein Abenteuer
Doch nicht nur die Produktpalette unterscheidet sich von anderen Kaufmannsläden. Im Inneren des Geschäfts finden Kunden gepolsterte Sessel vor. „Das gehört zum Konzept. Nicht nur Lebensmittel anbieten, die soziale Nahversorgung ist fast wichtiger“, sagt Bernd Fischer. Neben dem Sofa das „Gib und Nimm“-Regal. Dort kann jeder kostenlos Waren abgeben oder entnehmen. Alles begann vor vier Jahren, als im Ort ein Geschäft nach dem anderen zusperrte. Die Schaufenster zugeklebt. Die Infrastruktur der rund 1.600 Einwohner/innen zählenden Gemeinde drohte auszusterben. Der Anfang von Fischers Abenteuer. „Ich wollte die Welt, meine Welt, verändern.“ Aber seine Ideen stießen auf Skepsis. Die Zeiten für „Greißler“ sind endgültig vorbei, hieß es. Doch Fischer sollte Recht behalten. Nicht nur der Markt konnte weitergeführt werden, auch für die Trafik und die Fleischhauerei fanden sich Nachfolger/innen. Ein neuer Wind schien durch den Ort zu wehen. Das regionale Sortiment erweiterte sich zusehends. „Am Anfang war es gar nicht so leicht, Anbieter zu finden. Heute bin ich für viele der erste Ansprechpartner, weil sie wissen, dass sie bei mir die Chance bekommen, ihre Produkte zu verkaufen“, ist Fischer froh.
Schwierige Zeiten
Doch seit Ende 2013 kämpft der Visionär um den Fortbestand des Geschäfts. Das Ansiedeln einer großen Supermarktkette bringt den Kaufmann wirtschaftlich ins Wanken. „Das Angebot an Supermärkten ist schon lange übersättigt und trotzdem werden immer mehr Märkte gebaut“, prangert der 45-Jährige die Expansionskultur der großen Handelsketten an. „Mein Vater lehrte mich, mit weniger auszukommen, weil wir früher nicht so viel hatten. Ich muss meinem Nachwuchs nun beibringen, mit dem Überfluss umzugehen.“ Druck sieht er langfristig aber bei den großen Konzernen und ist überzeugt, dass sein Konzept krisensicher ist. Den Vorteil sieht Fischer in der Regionalität und der damit verbundenen Autarkie.
Positiv in eine ungewisse Zukunft
Was die Zukunft bringt, weiß Fischer noch nicht genau. „Der wirtschaftliche Druck ist größer, seitdem sie uns den Supermarkt hingebaut haben. Aber ich tue alles, damit wir weiterhin für Produzenten und Kunden da sein können“, gibt sich der Kaufmann kämpferisch. „Wenn sich zehn Familien mehr dazu entscheiden, ihren Wochenendeinkauf in Zukunft bei mir zu erledigen, dann habe ich wieder Luft. So knapp geht das her.“ Was ihn antreibt, sind seine Kinder: „Meine Motivation sieht mich jeden Tag beim Frühstück an. Wir müssen an die nächste Generation denken. Sonst rauben wir ihnen jede Chance auf eine lebenswerte Zukunft.“