Heuer feiert die Swarovski-Musik Wattens, Tirol, ihr 100-jähriges Bestehen. Im Folgenden ein Auszug aus einem Interview mit „Frau Musica“, das Bischof Stecher für die Festschrift verfasst hat.
Darf ich gleich mit einer etwas indiskreten Frage an eine Dame beginnen? Wie alt sind Sie, gnädige Frau? Musica: Ich bin sehr alt, fast so alt wie der Mensch. Er hat mich schon vor Jahrhunderttausenden aus dem Singen des Windes in den Wäldern, aus dem Dröhnen hohler Baumstämme und aus dem Rauschen der Brandungswellen gehört. Fast alle Wissenschaften und Künste sind nach mir geboren worden. Ich darf mir allerdings auch schmeicheln, dass ich in gewisser Hinsicht jung geblieben bin. Ich bin in jeder Epoche neu gestylt worden ...
... Aber eigentlich war Ihr Wirken sehr lange anonym. Seit wann nennt man Sie mit Namen, gnä- dige Frau? Musica: ... Namensmäßig bin ich eine Griechin. Die alten Hellenen haben mich „he musike“ genannt – aber damit haben sie nicht nur Töne gemeint ... Ich war immer verbunden mit Poesie, Tanz, Beschwörung und Kult. Ich wollte nie nur ein Ohrenschmaus sein. Eigentlich will ich den ganzen Menschen ...
Darf ich ins Persönliche gehen? Leben Sie eigentlich allein oder haben Sie Familie? Musica: ... Ich habe eine Schwester, mit der ich mich sehr gut verstehe. Wir sind fast unzertrennlich. Es ist die Freude. Die ist schon dabei, wenn der Knirps im Kindergarten das erste Mal aufs Xylophon haut. Ich glaube, dass meine Schwester für meine Erfolge wesentlich mitverantwortlich ist. Manchmal tun wir zwei uns ja heimlich zusammen und wandern in die traurigen Winkel der Welt. Wir reihen uns bei Begräbnissen ein und hie und da schleichen wir uns in ein Krankenzimmer. Wir waren schon in Elendsvierteln. Wenn ich es recht bedenke, waren das meine schönsten Reisen ...
Haben Sie noch andere Famili- enmitglieder, die Ihnen sympa- thisch sind? Musica: Ja. Ich habe noch einen Bruder – den Gemeinsinn. Der ist bei mir gewesen, so weit ich zurückdenke. Was ich mit Tönen und Rhythmen arrangiere, macht er auch mit den Menschen: Er bringt sie zusammen, macht ein Ganzes daraus ... Mein Bruder hat die Leute aus allen Altersgruppen, Ständen und Berufen zusammengestellt. Ohne ihn ginge jeder seine Wege. So aber sind sie ein Klangkörper geworden – und mit dem Klangkörper eine Kameradschaft und manchmal auch ein bisschen mehr. Ich schätze meinen Bruder sehr. Er erweitert die Harmonie von den Tönen auf das Leben.
Aber wie in jeder Familie werden Sie sicher auch belastende Verwandte haben? Musica: Ja, ich habe einen schwierigen Stiefbruder, den Lärm. Sie müssen wissen, meine Mutter, die Akustik, hatte einmal eine Affäre mit einem gewissen Krach. Das Ergebnis war eben mein Stiefbruder, der Lärm. Was ihm an Wohlklang fehlt, kompensiert er mit Dezibel ...
... Gibt es in Ihrem Leben auch eine Bekanntschaft, eine Begeg- nung oder eine Verbundenheit, über die man nicht gerade bei jeder Gelegenheit spricht und die trotzdem sehr viel bedeutet? Musica: Die gibt es. Und das ist eine Sache, die mich immer zutiefst bewegt. Ich habe eine uralte Beziehung zum Geheimnis, zum Mysterium. Es war immer mit mir unterwegs. Das Geheimnis wandert mit mir durch die Welt und die Herzen ... Aber ich möchte auch immer wieder in hohe Kreuz- gewölbe entschweben, um Altäre streichen und die Herzen auf die Reise ins Unsagbare einladen.
Wie beurteilen Sie Ihre Zukunft? Musica: Gelassen. Auch in den nächsten Jahrtausenden wird es Menschen geben, die mich schätzen. Aber ich bin auch sehr zuversichtlich, was die absolute Zukunft betrifft ...Sie wissen ja, wie das mit den Menschen ist. Für jeden schlägt einmal die Stunde, da er aus der Welt geht und alle zurückbleiben. Das Geld und die Wirtschaft wird uninteressant ... Die Medizin baut die Instrumente, Infusionen und Röntgengeräte ab ... Aber ich, die Musik, gehe mit den Menschen über die große Brücke hinüber in eine andere Welt. Ich bin nämlich dort eingeladen. Es wird dort musiziert ... Es wird zwar ganz, ganz anders sein, aber eins ist sicher: Es wird die Harmonie der Harmonien sein ... Ich bin nicht nur sehr alt. Es mag vielleicht pathetisch klingen, aber es ist so: Ich trage – wie ein kostbares Collier – ein Stück Ewigkeit durch die Zeit.