Amerika wählt am 8. November einen neuen Präsidenten. Die Ergebnisse der US-Vorwahlen am „Super Tuesday“ vergangene Woche zeigen, dass es wahrscheinlich ein Duell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump geben wird. Mit dem großen Erfolg des umstrittenen republikanischen Rechtspopulisten und Geschäftsmannes Trump, der zum ersten Mal als politischer Kandidat auftrat, „haben viele nicht gerechnet“, sagt der Theologe Wolfgang Palaver. Er nimmt zum US-Wahlkampf Stellung.
Wolfgang Palaver: Religion ist im Allgemeinen ein wichtiger Faktor in der amerikanischen Gesellschaft und in der amerikanischen Politik. Bis heute gilt der Grundsatz, es könnte kein Kandidat ernsthaft mit einer Präsidentschaft rechnen, der sich als völlig religionslos, als Atheist outen würde. Die Demokratin Hillary Clinton hat zum Beispiel im Juni 2014 in einem Interview gesagt, die Bibel sei das wichtigste Buch in ihrem Leben. Ob es stimmt, wissen wir nicht. Damals gab es noch Spekulationen, ob sie kandidiert oder nicht. Sie hat auch jetzt bei den US-Vorwahlen in Iowa erklärt, sie sei eine gläubige Christin und Methodistin, die durch ihr Studium der Bibel zu dem Menschen wurde, der sie heute ist. Der einzige Präsidentschaftskandidat, bei dem Religion eine untergeordnetere Rolle spielt, ist Bernie Sanders, ebenfalls ein Demokrat. Er hat einen jüdischen Hintergrund und lässt es offen, ob er in eine Synagoge geht oder nicht. Aber er würde nie sagen Religion sei unwichtig. Das ist ein No-Go in den USA.
Wie ist das bei Donald Trump?
Wolfgang Palaver: Auch er spielt die religiöse Karte. Wenn man sich das Verhältnis Donald Trump und Papst Franziskus anschaut, so hat Trump ihn vor ein paar Monaten hochgelobt und gesagt, das ist ein ganz toller, bescheidener Mann. Nur bei der Frage der Grenzmauer zu Mexiko, um Zuwanderung zu stoppen, hat er sich absetzen müssen, weil das eine seiner Grundbotschaften ist, die momentan in bestimmten Kreisen der US-Bevölkerung sehr gut ankommt. In vielen Ländern Europas grassiert dieser Rechtspopulismus ebenfalls, auch bei uns in Österreich. In Teilen der Bevölkerung ist die Angst vor Einwanderung, die Angst vor fremden Kulturen ganz stark da, und je verunsicherter die Menschen sind, je größer die ökonomischen Schwierigkeiten sind, je mehr Angst da ist auch vor Terror, desto leichter lassen sich solche Inhalte kanalisieren. Und das kann Trump in perfekter Manier.
War es nicht riskant, sich mit dem Papst anzulegen?
Wolfgang Palaver: Der amerikanische Katholizismus ist vielfältig und breit und es gibt einen großen Anteil auch an Katholiken, die mit Papst Franziskus gar nicht so viel anfangen können. Von da her war es kein großes Risiko von Trump, sich ein bisschen mit dem Papst anzulegen. Nach seinem Besuch im September 2015 in den USA waren manche konservative Katholiken verunsichert, dass er die klassischen Themen wie Abtreibung oder gleichgeschlechtliche Ehe nicht angesprochen hat, sondern dass er vor allem den ökologischen Wandel und die Umwelt, Globalisierung, Wirtschaft und Gerechtigkeit und die Option für die Armen in den Blick genommen hat. Das passt vielen konservativen Katholiken, die seit vielen Jahren politisch mit den Republikanern verbandelt sind, gar nicht. Manche von ihnen leugnen den Klimawandel als von Menschen gemacht und setzen dafür stärker auf Themen wie Ehe-, Sexual- und Familienmoral. Viele Kommentatoren, die regelmäßig in der New York Times schreiben, haben schon Warnungen verfasst, Franziskus sei einer der fahrlässigsten Päpste, der alles aus den Händen gleiten lässt. Von da her ist es in bestimmten religiösen und auch katholischen Kreisen in den USA nicht automatisch negativ, sich mit dem Papst anzulegen.
Laut Umfragen haben viele evangelikale Protestanten bei den US-Vorwahlen Donald Trump gewählt, obwohl sie sein Verhalten im Grunde ablehnen. Wie erklären Sie sich das?
Wolfgang Palaver: Es ist ein interessantes Phänomen, dass vor allem bei den konservativen Evangelikalen Donald Trump, obwohl er zweimal geschieden ist und einen Lebenswandel an den Tag legt, der den evangelikalen Idealen völlig entgegensteht, trotzdem mehr Unterstützung findet, als beispielsweise Ted Cruz, der als Sohn eines evangelikalen Pastors eine viel glaubwürdigere Alternative wäre. Teilweise erklärt man sich das so, dass, wie schon erwähnt, eine Situation der Verunsicherung und Verängstigung in vielen Kreisen der amerikanischen Bevölkerung herrscht, ähnlich wie in Europa, und auf republikanischer Seite Trump perfekt diese Ängste und Vorurteile schürt, indem er ganz klare Sündenböcke ausmacht wie die Latinos, die aus Mexiko einwandern oder die Muslime – nach dem Terrorvorfall in Südkalifornien hat er ja sofort dazu aufgefordert, sämtliche Muslime auf den US-Flughäfen herauszufiltern, um zu untersuchen, ob sie gefährlich sind. Das ist einer der Gründe für seinen Erfolg.
Religiöse Inhalte treten dann in den Hintergrund ...
Wolfgang Palaver: Klassische Inhalte wie Abtreibung, die sonst gerade auf republikanischer Seite wichtig sind, spielen dann viel weniger eine Rolle. Dieses ordinäre, harte Auftreten von Trump spricht jene Leute an, die in der aktuellen krisengeladenen Situation auf einen Wundertäter hoffen, der mit Brutalität die USA wieder auf die Siegerstraße bringt. Laut Trump habe ja vor allem Obama das Land heruntergewirtschaftet. Wobei man sagen muss, dass die Wirtschaftsdaten in den USA insgesamt gar nicht so schlecht sind. Zum Teil ist es eine Sündenbockjagd. Alles, was den Leuten nicht passt, wird Obama zugeschoben. Trump ist zwar nicht sehr gläubig, aber er tritt so mächtig auf, dass bestimmte Gruppen – wenig Verdienende, wenig Gebildete, Weiße, die sich in der heutigen Welt schwer tun, sich zurechtzufinden – ihn unterstützen. Trumps Verhalten hat mit jenem von Jesus Christus, mit seiner Gewaltfreiheit, mit Frieden, mit dem Zugehen auf andere Menschen, wenig zu tun. Aber das interessiert dann die Leute nicht mehr. Trumps Fähigkeit, diese Stimmung zu kanalisieren, ist wichtiger, als genau hinzuschauen, ist das wirklich unsere Botschaft.
Hillary Clinton könnte als erste Frau US-Präsidentin werden. Das wäre doch ein positives Signal ...
Wolfgang Palaver: Obama als Präsident war schon eine schöne Etappe in der amerikanischen Politik und ein Signal an die Welt, dass man auch Rassismus überwinden kann. Wenn nun eine Frau Präsidentin werden würde, wäre das wieder ein positives Zeichen. Obwohl man bei Clinton sagen muss, dass sie laut Untersuchungen immer wieder Schwierigkeiten hat, besonders die jungen Menschen zu erreichen. Der Demokrat Bernie Sanders hat bei der jungen Wählerschaft wesentlich mehr Resonanz, weil er Dinge vorrechnet wie die Schere zwischen Armen und Reichen, die in den letzten 20, 30 Jahren auch in den USA mehr und mehr auseinandergegangen ist. Ihm ist es gelungen, dieses Problem der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit ganz stark ins Zentrum zu stellen und das begeistert die jungen Leute. Hillary Clinton ist stark mit der Wirtschaft verkoppelt, bei ihr geht es um das bisher Gehabte, das Traditionelle, das zu Erwartende – und das motiviert die jungen Menschen weniger.
Spielen da auch jene Vorfälle eine Rolle, die man spontan mit ihrer Person in Verbindung bringt?
Wolfgang Palaver: Ja, Clinton ist bekannt und lange im Geschäft, da weiß man viel und denkt sofort an ein paar Episoden wie die E-Mail-Affäre oder die Lewinsky-Affäre mit ihrem Mann. Junge Frauen von heute würden da nicht mitspielen. Sie ist viele Kompromisse eingegangen um der Macht willen, ist politisch mit allen Wassern gewaschen und sie weiß was geht und was geht nicht. Obama hat damals die Herzen der Leute berührt und begeistert. Hillary Clinton nicht. Wenn sie die Präsidentschaft im November gewinnt – und sie hat sehr gute Karten in der Hand – dann wegen der Gegenkandidaten, die weniger überzeugend sind.