In Betlehem ist jeden Tag Weihnachten. Denn in dem palästinensischen Ort südlich von Israels Hauptstadt Jerusalem kam laut den Evangelisten Matthäus und Lukas vor gut zweitausend Jahren Jesus zur Welt. Darum ist die Stadt im Westjordanland Pilgerstätte für Christen aus aller Welt.
Ausgabe: 2017/50
12.12.2017 - Karl Horat
Besonders in der Weihnachtszeit zieht die Geburtskirche im Zentrum der Stadt Tausende Gläubige aus aller Welt an. Das Gotteshaus – errichtet über dem Ort der legendären Geburtsgrotte – gehört seit ein paar Jahren zum UNESCO-Weltkulturerbe. Und schon vor Jahrhunderten führten Franziskanermönche die ersten Einheimischen in die Kunst des Olivenholzschnitzens ein. Waren damals vor allem Kruzifixe und Rosenkränze aus den knorrigen Ästen gefragt, so sind es heute Krippen aus Olivenholz: das Jesuskind, Maria, Josef, die drei Weisen aus dem Morgenland, die Hirten und Schafe.
Unsichere Lage
In Handarbeit gefertigte Krippen sind zum Erwerbszweig in der Region geworden: Kaum ein Tourist verlässt Bethlehem ohne Andenken. Wenn sie denn kommen – denn das hängt davon ab, ob die politische Situation in der Region ruhig ist. Sonst ist das Weihnachtsgeschäft dahin.
„Wir sind eine der alten Schnitzerfamilien hier in Betlehem“, erzählt Bassem Giacaman in seinem Souvenir-Shop. Das Geschäft gründete bereits sein Urgroßvater und sein Großvater konnte den heutigen kleinen Laden mit der Werkstatt eröffnen, nur zweihundert Meter von der Geburtskirche entfernt. Die Familie Giacaman gehört zur Minderheit der palästinensischen Christen in Betlehem. Politisch wie auch religiös ist die Stadt im Westjordanland geteilt. Die Mehrheit der Einwohner sind Muslime.
Holz aus der Region
„Wir legen Wert darauf, dass unsere Produkte ausschließlich aus Olivenholz von hier gefertigt sind“, sagt Bassem. Dieses Holz ist rar. Olivenbäume, die bis zu fünfhundert Jahre alt werden können, tragen erst im Alter reichlich Früchte und es werden wenige gefällt. Andere Souveniranbieter würden darum gerne auf billigeres Importholz ausweichen – oder gleich preisgünstige Fertigware aus Asien anbieten, erzählt Bassem.
In der Werkstätte neben dem Geschäft riecht es angenehm nach Olivenholz. Denn dieses muss hier mindestens sechs Monate trocknen, ehe es nach der alten Handwerkstradition bearbeitet wird. „Nur so ist gewährleistet, dass die kleinen Kunstwerke später nicht reißen oder sich verziehen“, erklärt Bassem Giacaman. Erste Kniffe zeigte ihm sein Vater Jiries schon, als er zwölf war und nach der Schule hier kleine Schnitzarbeiten machte. Mit 18 Jahren stieg er dann voll in den Betrieb ein, den er heute führt. „Wir lassen uns immer noch von den Figuren inspirieren, die mein Großvater in den 1930er-Jahren kreierte“, sagt Bassem.
Tradition
Ihren Ursprung haben die Weihnachtskrippen im frühen Christentum. Damals gab es als Abbild nur das Jesuskind in der Futterkrippe, den Ochsen und den Esel daneben. Maria kam als Figur erst im Mittelalter dazu – und Josef noch später. Als Landschaft diente Betlehem, allerdings immer so, wie sich die Menschen dieses damals vorgestellt haben. Franz von Assisi gilt als Begründer des Krippenensembles, wie wir es heute in den weihnachtlichen Darstellungen kennen. Denn im Jahre 1223 ließ er in Greccio in den Sabiner Bergen das Weihnachtsgeschehen mit lebenden Tieren und Menschen nachstellen.
In Mitteleuropa sind mehrere Gegenden überzeugt, die wirklich traditionellsten, schönsten und ursprünglichsten Holzkrippen-Figuren zu schaffen: So das Erzgebirge, der Schwarzwald, das Grödnertal und der Bregenzerwald – um nur ein paar zu nennen. Gerade jetzt im Advent raspeln die Krippen-Schnitzer da überall die letzten Späne von ihren Figuren: Damit ihre Werke sich unterm Weihnachtsbaum aufs Schönste präsentieren.