Die Vaterunser-Bitte „Und führe uns nicht in Versuchung“ sei im Deutschen nicht gut übersetzt, hatte Papst Franziskus jüngst kritisiert: Es sei nicht Gott, der den Menschen in Versuchung stürze. Damit begann eine spannende Debatte.
Ausgabe: 2017/51
19.12.2017 - Heinz Niederleitner
Konkret geht es um die Frage, ob im Deutschen genauso wie im Französischen die Übersetzung geändert werden soll zu „Lass uns nicht in Versuchung geraten“. Dafür gibt es Zustimmung, öfter aber Ablehnung unter Theologen und Bischöfen. „Zunächst muss ich feststellen: ‚Und führe uns nicht in Versuchung‘ ist die wörtliche Übersetzung des griechischen Originals“, sagt dazu der Innsbrucker Universitätsprofessor für Neues Testament, Boris Repschinski. Einer Änderung des Textes stehe er grundsätzlich skeptisch gegenüber. Repschinski verweist darauf, dass Jesus im Neuen Testament auch vom Geist Gottes in die Wüste geführt wird, um dort versucht zu werden. Das müsse man dann auch überdenken. Außerdem teile man das Vaterunser in der aktuellen Fassung mit den evangelischen Christen. Vor allem sei „das ganze Vaterunser getragen vom Vertrauen des Betenden auf Gottes Güte und Erbarmen.“ „Und führe uns nicht in Versuchung“ sei im Tandem mit „sondern erlöse uns von dem Bösen“ zu lesen, sagt Repschinski. „Dahinter steht ja genau das Vertrauen, dass Gott uns nicht in Versuchung führt, sondern erlöst.“ Mit Blick auf die Seelsorge sagt der Jesuit: „Man kann den Menschen zumuten, dass sie solche Texte auch richtig einordnen. Sie sind ja auch als Stolpersteine gedacht, damit man sich Gedanken macht.“
Nachdenken
Dass über die Vorstellungen von Gott durch die Diskussion wieder nachgedacht wird, empfindet der Innsbrucker Dogmatikprofessor Józef Niewiadomski als den großen Mehrwert der Debatte. Eine rasche Neufassung des Vaterunsers erwartet er zwar nicht. Aber er freut sich über die aufgeworfene Frage, „ob wir überhaupt noch wissen, was wir beten.“ Inhaltlich sei schon vor 25 Jahren die Auslegung der Vaterunser-Bitte im Katechismus (unter der Nr. 2486) genau in dem Sinne festgelegt worden, wie das auch Papst Franziskus jetzt ausgeführt habe. Die nunmehrige Anregung des Papstes eigne sich dazu, über „dämonische Züge“ in unseren Bildern von Gott nachzudenken, sagt der Theologe. „Das Zweite Vatikanische Konzil sagt, Gott spricht zu uns in Menschenworten. Deshalb ist die biblische Sprache auch nicht frei von menschlichen Projektionen, die nicht zur eigentlichen Offenbarung gehören. Gott heilt, rettet und setzt die Menschen eben nicht einer Gefahr aus“, sagt Niewiadomski. In den Aussagen von Papst Franziskus sieht er daher die Aufforderung, die Frage nach problematischen Gottesbildern mutiger anzugehen.