Sie fordern ein Verfassungsgesetz zur „Abschaffung kirchlicher Privilegien“, eine „klare Trennung von Kirche und Staat“ und die Streichung „gigantischer Subventionen an die Kirche“.
Außerdem wollen die Betreiber des Volksbegehrens gegen Kirchen-Privilegien ein eigenes Gesetz zur Aufklärung von Missbrauch und Gewalt in der Kirche. Von 15. bis 22. April liegt das Volksbegehren zur Unterschrift auf. Wir fragten Fachleute zu den behaupteten Privilegien und den massiven Vorhaltungen.
Steuern und Subventionen
Den Vorwurf, die Kirche genieße Steuerprivilegien, weist Propst Maximilian Fürnsinn „als bewusste Irreführung“ zurück. „Wir zahlen für alle wirtschaftlich genutzten Liegenschaften und Betriebe genauso Grund- bzw. Einkommenssteuer wie alle anderen auch. Von der Grundsteuer befreit sind nur Besitztümer, die der Seelsorge, der Verwaltung sowie gemeinnützigen Zwecken (Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Kindergärten, Schulen oder Sozialeinrichtungen) dienen. Auch das ist kein Privileg, sondern gilt für andere gemeinnützige Einrichtungen ebenso.“ Fürnsinn weist auch den Vorwurf zurück, die Kirche sei ein Hauptnutznießer der Agrarförderung. „Von den insgesamt 1,9 Milliarden an Agrarförderung bekommt die Kirche für ihre Landwirtschafts- und Forstbetriebe vier Millionen (0,22%). Wir werden da genauso behandelt wie alle anderen Betriebe auch.“
Denkmal
Beim Denkmalschutz sieht Fürnsinn die Kirche nicht privilegiert, sondern sogar benachteiligt. „Wir erhalten fast 70 Prozent der denkmalgeschützten Gebäude in Österreich und schaffen damit in den Regionen zahlreiche Arbeitsplätze für das krisengeschüttelte Baugewerbe. Wir erhalten dafür vom Bund aber nur knapp 50% der Denkmalschutzgelder. Das ist deutlich weniger als wir an Mehrwertsteuer für die Renovierungen bezahlen müssen. Es sind die Orden, die Diözesen und Pfarrgemeinden, die mit ihrem Geld wesentliche Kulturgüter in Österreich erhalten und damit auch den Tourismus fördern. Es wäre höchst an der Zeit, Denkmalschutzausgaben für alle(!) steuerfrei zu stellen.“
Die kirchlichen Schulen
Die „Privilegien“ der kirchlichen Privatschulen stehen besonders im Fokus der Kritik der Volksbegehrensbetreiber. Sr. Beatrix Mayr-hofer dreht den Spieß um. „Wenn jemand ,Privilegien‘ davon hat, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften private Schulen betreiben, dann sind das nicht wir, sondern die Gesellschaft. Wir bekommen vom Staat die Gehälter der Lehrer/innen bezahlt, alle anderen Mitarbeiter/innen von der Sekretären, der Schulärztin, dem Schulpsychologen bis zum EDV-Mann und den Reinigungskräften müssen wir aus dem Schulgeld der Eltern bzw. aus eigenen Mitteln bezahlen. Ebenso die Gebäude- und Energiekosten. Der Staat erspart sich also eine Menge Geld, denn die 70.000 Kinder müssten sonst auch unterrichtet werden.“
Fokus Kind. Zum Nutzen für die Gesellschaft rechnet Mayrhofer auch, „dass wir einen besonderen Fokus auf das Kind und seine Bedürfnisse haben sowie auf die Bedürfnisse der Eltern. Das gilt nicht nur in pädagogischer Hinsicht, wo kirchliche Schulen in vielen Bereichen zu den Vorreitern gehören, sondern auch ganz praktisch. So etwa sperren wir unser Schulzentrum in der Friesgasse bereits um 6.45 Uhr auf, um Kinder von berufstätigen Eltern gut aufzunehmen. Ich kenne keine öffentliche Schule, die das tut bzw. tun kann. Viele kirchliche Schulen im städtischen Umfeld sind auch Pioniere der Integration. In unserem Schulzentrum im 15. Wiener Gemeindebezirk haben wir Kinder aus 40 Nationen. Eigene Stipendien helfen dabei, dass auch Kinder von Migrant/innen bei uns lernen können. Und wir sind stolz auf sie.“
Heilung und Pflege
Jede/r fünfte Patient/in lässt sich in einem öffentlichen Ordensspital behandeln. Die Kritik, dass die kirchlichen Spitäler privilegiert seien, weist P. Erhard Rauch entschieden zurück. „Wir werden vom Staat für die in unseren Häusern erbrachten Leistungen bezahlt. Und die Qualität unserer Arbeit wird nicht nur durch eine sehr hohe Zufriedenheit der Patient/innen bestätigt. Auch der Rechnungshof attestiert den Ordensspitälern, dass sie bei hoher Qualität sehr effizient arbeiten und damit der öffentlichen Hand jährlich rund 200 Millionen Euro ersparen, weil unsere Häuser pro Krankenhausbett um 38.000 Euro pro Jahr billiger sind als öffentliche Spitäler.“
Mission?
Den Vorwurf, Ordensspitäler betreiben mit öffentlichen Geldern Missionierungsarbeit für die Kirche, sieht Rauch gelassen: „Wenn das Missionierung ist, dass wir uns bemühen, unsere Patient/innen und Mitarbeiter/innen gut zu behandeln, dass uns ein gutes Wertemanagement im oft stressigen Krankenhausalltag wichtig ist, dass wir den Patient/innen und Mitarbeiter/innen, die das wünschen, auch menschliche und spirituelle Begleitung – und zwar in ihrer Religion! – anbieten und dafür auch Zeit und Räume schaffen, dann soll mir das recht sein. Denn gerade diese gesamtmenschliche Gestaltung eines Spitalsbetriebes ist es, die von der Bevölkerung ebenso wie von den Mitarbeiter/innen geschätzt wird. Und ich denke, gerade diese umfassende Sicht auf den Menschen und sein Heil-Werden ist auch ein guter Grund dafür, warum sich Orden für diesen Dienst an der Gesellschaft immer noch engagieren.“
Im Interesse der Opfer
Vorwürfe des Volksbegehrens richten sich auch gegen die Art der Aufarbeitung von Miss-brauch und Gewalt. Dazu Waltraud Klasnic: „Ende März 2010 kam die Anfrage von Kardinal Schönborn, ob ich bereit wäre, mich der Opfer von Gewalt und Missbrauch in der katholischen Kirche anzunehmen. Meine Zusage erfolgte unter der in den letzten drei Jahren voll eingehaltenen Bedingung, dass ich meine Tätigkeit völlig frei und unabhängig ausüben kann. In diesem Sinne habe ich acht renommierte, teilweise völlig kirchenferne Persönlichkeiten gebeten, die Unabhängige Opferschutzkommission zu bilden, die die Entscheidungen im Interesse der Opfer trifft. Auch diese Persönlichkeiten haben sich zu ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit unter Voraussetzung völliger Autonomie ohne jede kirchliche Einflussnahme bereit erklärt, wobei ihre Entscheidungen für die kirchlichen Verantwortlichen bindend sind. In diesem Sinne sind bisher über 1000 Entscheidungen getroffen und umgesetzt worden.“
Beispiel
„Das Modell der finanziellen und therapeutischen Hilfen, das die Unabhängige Opferschutzkommission entwickelte, wurde zum Vorbild für nahezu alle Bundesländer und Bundesstellen, die Kommissionen und Einrichtungen ab Sommer 2010 bildeten, und ist auch international als beispielgebend anerkannt. Die Opferschutzkommission hat also schon modellhaft agiert, deutlich bevor sich staatliche Stellen des Themas annahmen. Missbrauch und Gewalt findet leider in allen Bereichen unserer Gesellschaft statt.“
- Weitere Infos: www.opfer-schutz.at
Daten & Fakten
- In Österreich gibt es 32 öffentliche Ordenskrankenhäuser, die allen Patient/innen offen stehen (nicht nur Privatversicherten!). Sie decken 20 Prozent des Spitalsangebotes und versorgen jährlich 450.000 Patient/innen stationär und 800.000 ambulant.
- In den 333 katholischen Privatschulen werden rund 70.000 Schüler/innen unterrichtet. Viele Schulen sind in der Unterrichtsgestaltung und bei den Ganztagsangeboten führend. 39.000 Kinder besuchen Kindergärten, Krabbelstuben und Horte kirchlicher Träger.
- Mit 900.000 Besucher/innen zählt die katholische Erwachsenenbildung zu den Schwergewichten im Bereich der lebensbegleitenden Bildung. Ein Großteil der organisatorischen Arbeit wird ehrenamtlich geleistet.
- Mit einem Eigenaufwand von 150 Millionen Euro pro Jahr sorgen Pfarren, Orden und diözesane Einrichtungen für den Erhalt von fast 12.000 kulturhistorisch wertvollen Gebäuden. Allein den Stephansdom besuchen 5,2 Millionen Menschen pro Jahr – im Unterschied zu anderen Ländern bei kostenlosem Eintritt.
- 130.000 Menschen pro Jahr erhalten in kirchlichen Beratungsstellen Hilfe und Unterstützung. 300.000 Anrufer/innen finden bei der Telefonseelsorge ein offenes Ohr. Dafür sorgen neben 20 hauptamtlichen 660 ehrenamtliche Mitarbeiter/innen, die dafür eine spezielle Ausbildung absolvieren.
- Neben 60.000 hauptamtlichen Mitarbeiter/innen kann die Kirche in Österreich auf ca. 560.000 Frauen, Männer und Jugendliche bauen, die sich im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, der Dienste in den Pfarren und im Sozialbereich engagieren. Sie leisten eine Arbeit, die einem Gegenwert von rund 600 Millionen Euro entspricht.
- www.proreligion.at, www.kirchen-privilegien.atAbstimmung über "die Kirche"?