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Wenn eine knappe Mehrheit der Domherren die Wahl ablehnt, weil ihnen die drei vom Papst angebotenen Kandidaten zu progressiv sind, erinnert das mit umgekehrten Vorzeichen an die Salzburger Erzbischofswahl 1988, als das Domkapitel zunächst nicht aus drei sehr konservativen Vorschlägen wählen wollte – und es doch musste. In Chur geht der Skandal weiter, weil das Protokoll des Wahlversuchs online ging. Darin wird von einer „feindlichen Übernahme“ schwadroniert. Der einzige anwesende Kandidat muss sich von einem Kollegen sagen lassen, er sei die „größte Priesterenttäuschung“ seines Lebens. Kurios: Der Kandidat ist Mitglied des Opus Dei und kein „Revoluzzer“.
Nun hat Papst Franziskus letzte Woche gemeint, Kirche könne nicht wie eine Partei mit Mehrheiten und Minderheiten organisiert sein. Unter anderem brauche es den Heiligen Geist und geschwisterliche Gemeinschaft. Letzteres klingt gut, scheitert aber nicht nur in Chur an der Realität. Zwar kann man über den Glauben nicht abstimmen. Bei Bischofsbestellungen wäre eine Wahl durch die Gläubigen aber besser als der Churer Machtkampf. Deshalb gilt auch in der Kirche der Satz von Willi Brandt: „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ – um dem Heiligen Geist eine Chance zu geben.
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