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Bischof Maximilian öffnet die Tür zu seinem Büro. Ein langer Gang, rechts biegt man in sein Arbeitszimmer ab. Ein Schreibtisch, ein Computer, ein paar Sessel. Er setzt sich nieder. Vor ihm liegen drei Bücher über Benedikt: „Benedikt für Anfänger“, „Der Benediktinerorden“ und „Wege zum Leben“ heißen sie. Denn von einem ist Bischof Maximilian überzeugt: „Von Benedikt kann man auch heute noch viel lernen. Zum Beispiel Gemeinschaft halten, nicht nur für sich, sondern miteinander und füreinander leben, Gebet und Arbeit – und Solidarität.“ Denn was der hl. Benedikt lehrte, tat er immer im Blick auf die Worte Jesu im Evangelium.
Benedikt ist der „Patron Europas“. Der Journalist Paolo Rumiz hat sich auf seine Spuren geheftet und in Norcia (dt. Nursia), dem Geburtsort des hl. Benedikt, zu suchen begonnen. Sein erstes Erlebnis dort beschreibt er im Reiseführer „Der unendliche Faden“ so: „In diesem Augenblick sah ich die Statue, taghell erleuchtet, in der Mitte der Piazza. Ein Mann mit langem Bart und weiter Kutte hob den Arm, als wolle er auf etwas zwischen Himmel und Erde zeigen. Er stand unversehrt inmitten der Zerstörung, und die Aufschrift lautete: „Hl. Benedikt, Schutzpatron Europas.“ Benedikt lebte von ca. 480 bis 547 in Italien. Er und seine Nachfolger haben von Italien aus vor allem im ländlichen Raum Ordensgemeinschaften gegründet: Sie haben Schulen gebaut, Wälder gerodet, Felder angelegt, Landwirtschaft betrieben und als Mönchspriester gewirkt. „Und sie haben Kultur gebracht“, sagt Aichern. In ganz Europa haben sie Spuren hinterlassen. Im poetisch-romanhaften Reisetagebuch besucht Paolo Rumiz u.a. Praglia, Sankt Ottilien, Marienberg, St. Gallen, Altötting, Göttweig, Pannonhalma. Er erzählt von Begegnungen mit Einwohnern, Ordensbrüdern, Äbten. In den Gesprächen geht es um die Werthaltungen Benedikts, die bis heute Gültigkeit haben: Gastfreundschaft, Zuhören, Eifer, Freude an der erledigten Arbeit, Gebet und Respekt vor der Natur. „Ganz genau so: Diese Werte, das sind unsere Werte – das ist unsere Kultur“, meint Bischof Aichern.
Rumiz äußert sich kritisch dazu, dass heute die Grundlagen der christlichen Kultur wie „Barmherzigkeit und Solidarität mittlerweile als Verbrechen“ gelten. Bischof Aichern stimmt das nachdenklich. Unbestritten ist für ihn, dass diese Werte Teil der christlichen Soziallehre sind. Das trifft auch auf den Umgang mit Flüchtlingen zu: „Dass wir in Österreich jüngere Asylwerber, die unbegleitet sind, aufnehmen, ist doch selbstverständlich!“, sagt Bischof Aichern. „Auch der hl. Benedikt hat immer junge Menschen aufgenommen.“ Willkommenskultur gab es schon damals.
Paolo Rumiz, Der unendliche Faden, Reise zu den Benediktinern Europas, Folio Verlag, € 22,–.
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