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„Das hier ist ein unglaublicher Platz, ein magischer Auftrittsort“ – mit diesen Worten begrüßte Konstantin Wecker das Publikum vor dem Mariendom. Der deutsche Liedermacher war am Freitag, 19. Juli 2019 im Rahmen der Reihe „Klassik am Dom“ in Linz zu Gast. 2.500 Konzertbesucher/innen ließen sich die Einladung, den aufrüttelnden und bewegenden Liedern und Gedichten des Sängers und Komponisten zu folgen, nicht entgehen.
Begleitet und inspiriert vom Kammerorchester der bayrischen Philharmonie unter der Leitung von Markus Mast konnte Wecker sein persönliches Wunschprogramm spielen und singen. Selbst mit klassischer Musik und Gedichten in seinem Elternhaus groß geworden, brachte er die Liebe für Klassik und Poesie in feine Arrangements verpackt, mit nach Linz. „Dass diese Welt nie ende“ hat er vor 40 Jahren schon gesungen. „Viel hat man nicht getan in den 40 Jahren, um das zu verhindern“, meinte Wecker. Die Ohnmacht, die viele beim Beobachten der Entwicklungen auf diesem Planeten erleben, wandelte der charismatische Sänger um in ein „Plädoyer für die Ohnmacht – für die Verlierer und Versager, wie sie von den selbsternannten Gewinnern immer tituliert werden.“ – Das brauchte er dem Publikum nicht zweimal zu sagen. Viel Beifall erntete Wecker auch zwischendurch immer wieder für seine ermutigenden und mahnenden Worte, die sich für Klimaschutz und Menschenfreundlichkeit, gegen Rassismus und den wiedererstarkenden Nationalismus in den Köpfen und Herzen der Menschen in Europa aussprachen. „Leben ist Brücken schlagen“, meinte er dann auch in seinem nächsten Lied - und prägte damit das Motto des Abends. Vielleicht war das auch ein Angebot an all jene im Publikum, die dem Sänger in seinen politischen Aussagen vom „herrschaftsfreien Leben“ nicht ganz folgen konnten und wollten. Unübersehbar und – hörbar war dennoch die gewaltige Kraft seiner Lieder und Gedichte, eingebettet in Kompositionen, die dem Ensemble Gelegenheit boten – vom Orient bis zum Jazzclub in New Orleans – Musikstile quer durch die Weltgeschichte auf die Bühne zu bringen. Auch ein Alphorn kam zum Einsatz und beim Tango konnte sich der knieverletzte Wecker nur mühsam zurückhalten, das Tanzbein nicht zu schwingen. Vom berührenden Schlaflied bis zum in Noten verdichteten Abschiedsschmerz einer vergangenen Liebe, vom Gedenklied an Sophie und Hans Scholl bis zum Erweckungslied „Empört euch“ reichte die Bandbreite des fast dreistündigen Programms. Und hätte es nicht die Vorgabe gegeben, dass um 23 Uhr Schluss sein muss, hätte Konstantin Wecker noch bis tief in die Nacht hinein Gedichte von Rilke, Kästner und Brecht rezitiert und mit seinen Liedern, der Hoffnung auf eine bessere Welt Ausdruck verliehen. Das Publikum war dankbar – und ergriffen und ließ den Sänger mit seinem Ensemble nur widerwillig ziehen.
Mit diesem bewegend-berührenden Abend endete die „Klassik am Dom“-Saison 2019. Fast 15.000 Besucher/innen hatten die Gelegenheit bei fünf Konzerten genutzt, eine große Bandbreite an Musikrichtungen von erstklassigen Künstlern am Domplatz zu erleben. Nächstes Jahr feiert „Klassik am Dom“ das 10 Jahr Jubiläum. Wer dabei die musikalischen Gäste sein werden, das wird in den nächsten Wochen bekanntgegeben.
Zur Info
Ein Auszug aus Konstantins neuem Buch „Auf der Suche nach dem Wunderbaren“. Der Autor und Liedermacher offenbart in diesem Beitrag sein großes Herz für „Verlierer“ und „Versager“. Oft verlieren diese nur überflüssigen Status und Schnickschnack, den man uns aufschwatzen will. Und sie versagen es sich vor allem, die in der Profit- und Leistungsgesellschaft notwendige Härte zu zeigen. Stattdessen haben sie etwas zu sagen und verströmen den angenehmen Klang der Stille(n). (Konstantin Wecker)
Dies ist ein Plädoyer für die Ohnmacht!
Für die Verlierer und Versager,
wie sie von den selbsternannten Gewinnern
immer tituliert werden.
Worte!
Wer bitte ist denn nun wirklich der Versager
in dieser Gesellschaft?
Der Zweifelnde,
auch an sich selbst oft verzweifelnde,
Sensible,
Mitfühlende,
oder der Rücksichtslose,
über Leichen gehende Leistungsträger?
Und was ist so negativ daran,
wenn sich jemand etwas versagt?
Wenn er sich teure Markenkleidung versagt,
oder wenn er es sich versagt,
irgendjemanden mal wieder kräftig
über den Tisch zu ziehen?
Ist es die Angst vor der Verweigerung derer,
die sich etwas versagen,
also der Versager?
Die Angst,
sie könnten ihr Spiel durchschauen,
Menschen mit völlig sinnlosen Produkten
zu Kunden zu machen und im Weiteren
sie zur Ware zu degradieren?
Versagen wir!
Verweigern wir!
Verlieren wir das doch gerne,
was man uns als Trostpreis ins Gehege wirft:
den Preis für unsere Dämlichkeit,
ihnen und ihrer Profitmaximierung
treue Vasallen zu sein.
Ich will diese monströs materielle Sicht
auf die Welt
gerne verlieren.
Ich bin ein geradezu begeisterter Verlierer.
Alles fallen lassen will ich,
was uns als Ballast mitgegeben wird,
von der Wiege bis zur Bahre
nur Blendwerk und Müll
einer Plastik erzeugenden
Weltverschmutzungsgesellschaft.
Lasst uns den hohen Herren der Worthoheiten
die Worte im Mund verdrehen:
Nehmen wir sie beim Wort!
Aber es soll unser Wort sein,
das wir uns wieder zurückerobern
mit Hilfe der Poesie.
Und ja,
es ist auch eine Frage des Klangs.
Man höre sich nur
wieder mal dieses hässliche Gegurgel
des Nazisprechs an.
Diese brachiale Atonalität
des jeder Melodie befreiten »Führers«.
Keiner hat das besser auf den Punkt gebracht
als Charlie Chaplin
mit seiner Hitlerparodie.
Aber auch der Neusprech der meisten,
sich stets neue, hohle Sprachmasken
zulegenden heutigen PolitikerInnen
ist von einer lähmenden Monotonie
gekennzeichnet,
als wäre alles Lebendige,
Spontane,
Herzliche
aus ihrem Wesen verbannt.
Gut geleiert, möchte man sagen,
aber was steckt dahinter?
Eben nichts.
Radikale Öde,
kein echtes Anliegen,
kein mit Herzblut getränkter Wunsch.
Anstelle von klangvollen Tönen
nur klanglose Tönung.
Nicht mal zu einem echten Aufschrei sind sie
in der Lage, sich immer absichernd
nach allen Seiten,
so sehr,
dass diese Sicherheit zur Zwangsjacke wird.
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