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Eines der Kunstwerke, das mich in den letzten Jahren zutiefst bewegt hat, ist die Kunstinstallation „Judis“ von Michaela Hartnack-Dachauer (1966–2015). Die Künstlerin war familiär mit der Stadt Ried über Generationen verbunden und erfuhr vom Schicksal des noch nicht einmal drei Jahre alten Mädchens Judis bei einer „Geh-denk-Wanderung“ durch Ried mit Prof. Gottfried Gansinger. Judis’ Mutter Ernestine, eine geborene Grüner, stammte aus Bruckmühl und hatte in Ried das Handwerk der Modistin erlernt. 1939 heiratete sie Siegmund Flieger in Wien, wo im Oktober 1941 ihre Tochter Judis geboren wurde. Ernestines Mann, der ebenfalls jüdischen Glaubens war, hatte die schreckliche Aufgabe, die Transporte ins Ghetto Theresienstadt zu organisieren. Dadurch konnte er die Deportation seiner Frau und seiner Tochter zwar hinauszögern, aber nicht verhindern. Am 1. April 1943 musste die ganze Familie ins KZ. Von Theresienstadt kamen sie am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz. Ernestine und Judis starben nach wenigen Tagen. Siegmund Flieger wurde im Mai 1945 von den Amerikanern aus dem KZ Mauthausen befreit. Er erzählte später: „Mir wurde unser Sonnenschein Judis an der Rampe von Auschwitz aus den Armen gerissen und sofort zum Tod geworfen!“ Das Schicksal des kleinen Mädchens bewegte die Künstlerin so sehr, dass sie umgehend die Installation „Judis“ schuf. Diese zeigt sieben aus Seidenpapier geformte Kinderköpfe. Das Material symbolisiert die Verletzlichkeit von Kindern, die Gewalt und Hass ausgesetzt sind. Die Kinderköpfe sind verschüttet – und zwar mit den Buchstaben „SS“ aus Styropor, die für die Bedrohung und Gewaltausübung des Regimes gegenüber unschuldigen Kreaturen stehen.
Die Kunstinstallation „Judis“ ist in Ried im Innkreis im Lern- und Gedenkort
Charlotte-Taitl-Haus, einer Außenstelle des Museums Innviertler Volkskundehaus, zu sehen.
Eine Frage an Sieglinde Frohmann
Sieglinde Frohmann: Nicht nur berufsbedingt besuche ich gerne Museen und Ausstellungen. Sehr spannend finde ich die Auseinandersetzung mit Kunst im öffentlichen Raum und die persönliche Begegnung mit Künstlerinnen und Künstlern. Besonders berührend sind die Begegnungen mit dem gebürtigen Rieder Hubert Fischlhammer, der seit vielen Jahren in Wien lebt. Dem Museum Innviertler Volkskundehaus hat er viele seiner Arbeiten geschenkt.
Kunst, Musik und Literatur begleiten uns ein Leben lang.
Manchmal entdecken wir sie zufällig, manchmal führt uns jemand an sie heran. Sie können trösten, aufrütteln, versöhnlich stimmen. Für viele sind sie unverzichtbarer Bestandteil ihres Lebens.
Kunst, die Menschen lieb und teuer ist, stellt die KirchenZeitung in dieser Reihe vor. Bis zum Sommer 2019 sind dazu von der KirchenZeitung Personen aus ganz Oberösterreich eingeladen und angefragt, ihre ausgewählten Werke und Orte vorzustellen. Dieses Mal: Sieglinde Frohmann, sie leitet in Ried das Museum Innviertler Volkskundehaus. Viel Freude bei dieser Entdeckungsreise wünscht Ihnen
Elisabeth Leitner
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