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Anhand von allgemeinen und familiären Quellen, vor allem anhand eines reichhaltigen Briefnachlasses rekonstruiert er das Leben seiner Mutter und seines Vaters. Die ersten Kapitel beschäftigen sich jeweils mit der Herkunft und den Vor-Ehe-Jahren von Josef Stockinger senior und Vilma Majetic, die dieser später heiraten wird. Dabei unterscheiden sich die Herkünfte deutlich: hier das eher ländliche Umfeld von Steyr, dort das Umfeld und letztlich die Großstadt Wien. Hier eine sehr katholisch-religiöse Prägung, dort ein national-freisinniger Einschlag.
Das Wort Lebenswelten nimmt Autor Stockinger ernst: Durch ausreichende Hintergrundinformationen und gute Gegenüberstellungen gelingt es ihm, den Alltag, die Herausforderungen und die Einstellungen dieser Generation verstehbar zu machen. Dabei kaschiert er nicht die negativen Seiten wie die Kriegserlebnisse im Zweiten Weltkrieg oder Vilmas negative Einstellung gegenüber Juden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Vilma beruflich nach Steyr versetzt und hier treffen sich die Lebenslinien von Vilma und Josef. Geheiratet wird zwar schließlich in Wien, aber Steyr ist und bleibt der Lebensmittelpunkt der beiden. Ihr Sohn, der Autor des Buches, untersucht den Briefwechsel von Josef und Vilma auch nach Charaktereigenschaften, holt soziale Hintergründe aus beiläufigen Erwähnungen hervor und illustriert das Buch mit Fotos, Zeichnungen und Aquarellen.
Insgesamt ist Josef Stockinger junior ein beachtliches Buch mit vielen Einblicken in Alltag, Lebens- und Gefühlswelt seiner Eltern gelungen. Einzig ein Stammbaum hätte es in den ersten Kapiteln erleichtert, den Überblick über die vielen Namen besser zu behalten – aber man sollte so ein Buch ohnehin nicht unkonzentriert lesen.
Josef Stockinger: Fräulein Vilma und ihr Josef. Lebenswelten aus zwei Jahrhunderten. Ennsthaler Verlag, 224 Seiten, € 28,–
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