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Wirtschaftswissenschaftler Niko Paech: Weniger Wachstum bringt mehr Glück?

GESELLSCHAFT_SOZIALES

Dass die Wirtschaft weiterwächst, hält der Wirtschaftswissenschaftler Niko Paech für „physikalisch unmöglich“. Er erforscht einen Lebensstil, der mit weniger Wohlstand glücklicher macht.
 

Ausgabe: 11/2024
12.03.2024
- Monika Slouk
Durch eigene Produktion unabhängiger von industrieller Landwirtschaft zu werden und dabei Selbstwirksamkeit und Lebenssinn zu erfahren, gehört zur Wirtschaft ohne Wachstum nach Niko Paech.
Durch eigene Produktion unabhängiger von industrieller Landwirtschaft zu werden und dabei Selbstwirksamkeit und Lebenssinn zu erfahren, gehört zur Wirtschaft ohne Wachstum nach Niko Paech.
© Rosabrille/Photocase

Im Wirtshaus habe er eine Wette abgeschlossen, erzählt Niko Paech: dass er sein Notebook 20 Jahre lang nützen wird.

 

Junge Menschen, die bei ihm an der Universität Siegen studieren, würden darüber manchmal lachen, denn man sehe dem Gerät die wiederholten Reparaturen an. Nicht nur die Klebestellen, auch Klebestreifen wären ein Beweis dafür, schildert der Wirtschaftsprofessor nicht ohne Stolz.

 

Es ist ein kleines Beispiel, wie Niko Paech versucht, seine Forschungsergebnisse in den eigenen Lebensstil umzusetzen. Denn die Forschung spricht eine deutliche Sprache.

 

„Es ist physikalisch unmöglich, den Wohlstand in Mitteleuropa auf dem derzeitigen Niveau zu halten“, so Paechs Erkenntnis. Industrialisierung und Wirtschaftswachstum hätten zu einem Wohlstand geführt, für den Ressourcen geplündert und die Ökosphäre über Gebühr belastet wurden, mit dem Ergebnis: „Wir haben unsere Überlebensfähigkeit verloren. Mir scheint, dass das viele Menschen nicht begriffen haben.“

 

Die Erde ist nicht aufblasbar 

 

Die Ressourcen, die zur Erhaltung des Lebensstandards und für weiteres Wirtschaftswachstum notwendig wären, stehen nicht unendlich zur Verfügung. Das ist keine neue Erkenntnis, aber sie schlägt sich in der realen Wirtschaft nicht nieder.

 

Auch „grüne Wirtschaft“ würde schnell an Grenzen stoßen. „Es sind Legenden, dass wir mit Solarenergie, Wind- oder Wasserkraft unseren Lebensstandard retten können und die Ökosphäre noch dazu. Das geht nicht“, so das kompromisslose Urteil des Postwachstumsforschers.

 

Alle Versuche, den Wohlstand zu erhalten, hätten dazu geführt, eine Ressourcen-Abhängigkeit durch eine andere zu ersetzen. „Wir brauchen vielleicht weniger Rohöl, dafür mehr Lithium, und das ist mindestens so knapp wie Rohöl.“

 

Der Rest der Natur werde zerstört durch Windkraftanlagen, Photovoltaik-Freiflächenanlagen oder auch Wasserkraftwerke wie zum Beispiel im Tiroler Kaunertal. „Die Flächen gehen uns irgendwann aus, wir können weder Deutschland noch Österreich aufblasen.“

 

Bessere Lebensqualität

 

Die Forschungsarbeit von Niko Paech beschränkt sich nicht auf das Wachstum, sondern beschäftigt sich mit der Frage, wie die Zukunft aussehen könnte. „Wir werden unsere Lebensweise anpassen müssen“, bringt es der Ökonom auf den Punkt. Wobei er schnell auf die positive Seite dieser Lebensstiländerung zu sprechen kommt: „Wir werden nach kurzer Zeit feststellen, dass es uns nicht schlechter gehen wird.“

 

Weniger Wohlstand, aber ohne Einbußen? Wie soll das funktionieren? „Wir müssen über Lebensqualität reden“, ändert Niko Paech den Blickwinkel. „Wir wissen aus der Lebensqualitätsforschung, dass sie seit Jahrzehnten ausgerechnet dort abnimmt, wo die höchsten Zuwachsraten an materiellem Wohlstand sind. Schauen Sie sich die Wahlergebnisse an! Sind sie ein Indiz für eine glückliche Gesellschaft? Schauen Sie sich die Spaltung an, den Hass und den Unmut.“ Die Gesellschaft stehe nicht nur vor physischen, sondern auch vor psychischen Wachstumsgrenzen.

 

Genügsam und glücklich

 

Die Lösung erwartet sich Paech nicht in erster Linie von der Politik. „Jeder Wandel hat seinen Anfang in den Nischen durch Pioniere und Pionierinnen.“

 

Sie würden neue Lebens- und Wirtschaftsweisen erproben, die sich durch den Schneeballeffekt dann verbreiten, wenn sie funktionieren. Eckpunkte des neuen Stils sind: mehr Zeit für Reparaturen und Eigenproduktion, weniger Erwerbsarbeit, mehr Zeit für freiwillige Zusammenarbeit – insgesamt mehr Genügsamkeit. „Ein Leben ohne Flugzeug und Auto ist keine Utopie. Viele Menschen leben so und haben so gelebt.“                

Der Wirtschaftswissenschaftler Niko Paech wird online über Europa ohne Wirtschaftswachstum sprechen: 21. März, 19 bis 20.30 Uhr, im Rahmen der Reihe „EUropa im Fokus“. Zoom-Link unter: www.forumkeb.at
Der Wirtschaftswissenschaftler Niko Paech wird online über Europa ohne Wirtschaftswachstum sprechen: 21. März, 19 bis 20.30 Uhr, im Rahmen der Reihe „EUropa im Fokus“. Zoom-Link unter: www.forumkeb.at
© MICHAEL MESSAL
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