Die Geschichte begann am 7. Mai 1945, einen Tag nach der Befreiung des KZ-Nebenlagers Ebensee durch die Amerikaner. Der 19-jährige Franzose Roger Laine erlebte die ersten Stunden als freier Mann außerhalb der Lagermauern. Er war auf 30 Kilogramm völlig abgemagert und entkräftet und bat eine Ebenseerin, ob sie ihm nicht einen kurz zuvor gefundenen Brotsack flicken könnte. Sie half ihm, ohne zu zögern.
Viele Jahre lang suchte er bei späteren Besuchen in Ebensee vergeblich immer wieder nach der unbekannten Wohltäterin. Ein Aufruf in der Gemeindezeitung Ebensee sollte im Jahr 1997 die Wende bringen. Josefa Loidl meldete sich als jene Frau, die damals Roger Laine den Brotsack genäht hatte. Er war nicht der einzige KZ-Häftling, dem sie damals nach der Befreiung half. Da ihr Haus unweit vom Zaun des ehemaligen Konzentrationslagers stand, wusste sie vom unvorstellbaren Leid der Gefangenen.
Josefa Loidl: „Hilflos und von den Bewachern bedroht, mußten wir Tag für Tag mitansehen, welche Torturen und Grausamkeiten die Lagerinsassen erleiden mußten.“ Doch die Begegnung mit Roger Laine prägte sich in ihr Gedächtnis ein. „Ich habe Zeit meines Lebens daran gedacht, was wohl aus dem jungen Mann geworden ist.“
Nachdem sich Josefa Loidl gemeldet hatte, begann ein reger und sehr berührender Briefwechsel mit dem Franzosen. Doch aufgrund einer Erkrankung dauerte es noch fast zwei Jahre, bis sich der Lebenswunsch von Roger Laine erfüllte und er jene Frau treffen konnte, die ihm durch ihre kleine Geste der Hilfe das verloren geglaubte Gefühl von Menschlichkeit schenkte.
1999 war es nach mehr als einem halben Jahrhundert so weit. Mit dem Wiedersehen sollte eine kleine, menschliche Episode einen bewegenden Abschluss finden.
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