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Sie predigen einmal im Jahr in der Kirche zum Familienfasttag. Was erzählen Sie da?
Eva Vogl: Zum einen über die aktuellen Projekte des Frauenfasttages, in der zweiten Hälfte eine allgemeine Idee. Zum Beispiel darüber, dass das Christsein glücklich macht.
Was bedeutet das konkret?
Vogl: Es wird in der Kirche oft der Opfergedanke, das Sich-selbst-Kasteien, überbetont. Es muss aber auch der Gedanke kommen, dass das Leben besser und glücklicher wird als Christ.
Wie sind Sie mit dem Glauben aufgewachsen?
Vogl: Meine Mutter hat mich ganz katholisch erzogen. Auch in den Kriegsjahren bin ich jeden Tag in die Kirche gegangen. Wir haben einen engagierten Pfarrer gehabt und uns zusätzlich zu den Messen oft inoffiziell getroffen. Die Nazis wussten, dass ich Katholikin bin und versuche, als Christin zu leben, das hat ihnen natürlich gar nicht gefallen.
Sie haben im Jahr 1939 bald nach Ihrer Matura sehr jung geheiratet. Wie stand Ihr Mann zu den Nazis?
Vogl: Schon in meiner Schulzeit erlebte ich, dass das Land richtig gespalten war in der Befürwortung und Gegnerschaft der Nazis. Als wir verlobt waren, führte das Thema zu Streitgesprächen mit meinem Mann. Ich war schwer Antinazi. Mein Mann war den Nazis gegenüber zuerst aufgeschlossener. Aber nicht lange. Ein Erlebnis in Wien war für ihn und seinen Bruder ausschlaggebend. Sie haben gesehen, wie die Nazis einen Juden am Donaukanal gejagt haben. Beide haben sofort gesagt: Das kann man nicht machen.“ So dauerte die Zeit, in der mein Mann und ich im Politischen verschiedener Meinung waren, nur ein gutes Jahr.
Bald danach brach der Krieg aus.
Vogl: Mein Mann musste einrücken. Sie können sich eh vorstellen, ich hatte ständig Angst um ihn. Dazu kam, dass die Lederfabrik, die im Besitz der Familie meines Mannes war, im Visier der Nazis war.
Wie hat sich das ausgewirkt?
Vogl: Die Nazis haben Leder gebraucht für die Wehrmacht. Die Lederfabrik musste die Aufträge annehmen, sonst hätten sie das Werk zugesperrt. Kein Zweifel. Außerdem war mein Schwager mit einer halbjüdischen Frau verheiratet. Das war immer die Drohung: Wenn du nicht das machst, was wir von dir verlangen, wird das deine Frau spüren. Es ist ihr letztendlich zwar nichts passiert, aber die Angst war immer da. 1944 wollte mein Mann aus der Partei austreten. Die Reaktion der Nazis war: Wenn er das tut, wird er nach Russland geschickt.
In einem Interview haben Sie einmal erzählt, dass Sie nach dem Krieg überlegt haben, ob Sie in die Politik oder in die Kirche gehen.
Vogl: Die Kinder waren aus dem Gröbsten raus und es ist Zeit frei geworden. Arbeiten gehen wollte ich nicht. Ich wollte niemandem einen Arbeitsplatz wegnehmen und es war auch nicht notwendig. Da habe ich mir gedacht, ich muss was Positives machen. Ich habe mich für die Kirche entschieden, weil mir das interessanter erschien als die Politik.
Sie waren eine der ersten Frauen, die sich in der Katholischen Frauenbewegung engagiert haben. Wie war das damals?
Vogl: Ich habe damals Vorträge bei Bildungstagen gehalten. Dort habe ich stark dafür plädiert, dass Frauen in die Arbeit der Kirche involviert werden. Einmal hat eine Frau zu mir gesagt, das wäre schlecht und ein Wahnsinn, wenn Frauen in der Kirche mitreden dürfen. So war die Stimmung damals noch. Man konnte sich nicht vorstellen, dass Frauen Ämter in der Kirche ausüben. Das hat sich total geändert, ich finde, das ist ein großer Fortschritt.
Der Ruf nach weiteren Reformen wird immer wieder laut. Wie stehen Sie dazu?
Vogl: Ich wäre für das Frauenpriestertum, wenigstens das Diakonat sollten die Frauen ausüben können, das wäre ganz wichtig.
Sie werden im Juni 98 Jahre alt ...
Vogl: Ja, das ist eine Gnade. Wobei, ich habe immer viel Sport betrieben. Tennis habe ich gespielt, bis ich 90 Jahre alt war. Das geht mittlerweile nicht mehr, aber ich achte darauf, dass ich viel spazieren gehe, in Bewegung bleibe.
Wie schaut Ihr Tagesablauf aus?
Vogl: So um 7.30 Uhr fange ich an. Ich habe zwar Hilfe, mache aber vieles im Haushalt noch selbst. Wenn man alt ist und Hausarbeit macht, braucht man viel länger, da ist der Tag schon ausgefüllt.
Dann bin ich viel im Garten und ich treffe mich mit Leuten. Dreimal in der Woche gehe ich ins Büro, weil ich da die Verwaltung von einem Teil der ehemaligen Lederfabrik mache. Das wird sich aber bald ändern, denn in einem Monat gehe ich quasi in Pension.
Halten Sie sich über das aktuelle Zeitgeschehen am Laufenden?
Vogl: Ja, am Abend schaue ich mir immer die Nachrichten im Fernsehen an.
Fahren Sie selbst noch mit dem Auto?
Vogl: Kleine Fahrten in Mattighofen und bis nach Braunau unternehme ich schon noch. Das sind die Entfernungen, die noch möglich sind. Wenn ich nach Salzburg in Konzerte fahre, schaue ich, dass mich wer mitnimmt.
Gibt es etwas, was im Alter besser wird? Wird man ruhiger und gelassener?
Vogl: Ja, schon. Man regt sich nicht so über Dinge auf, bei denen man als junger Mensch in die Höhe gefahren ist. Und man freut sich auch über kleine Dinge. Wenn ein schöner Tag ist und die Sonne scheint, so wie heute, dann freute ich mich schon sehr. Früher war das selbstverständlich, heute bin ich sehr dankbar dafür. Die kleinen Freuden werden größer.
Was ist besser: alt sein oder jung sein?
Vogl: (lacht) Jung sein ist schon besser. Wenn man alt wird, muss man Dinge zurücklassen, die man gerne gemacht hat. Das ist schmerzlich. Dann muss man aber sagen: Es gibt auch andere Freuden, für die man dankbar ist.
Ihr Mann ist vor über 30 Jahren gestorben. Sie leben schon lange alleine. Wie geht es Ihnen damit?
Vogl: Ja, er ist an Krebs gestorben. Das war sehr schwierig für mich. Das Leben allein bin ich schon lange gewohnt. Aber dadurch, dass ich so viele Enkel und Urenkel habe, bin ich noch mit der nächsten Generation verbunden und nicht abgeschnitten. Das Haus ist zu Feiertagen, wie etwa zu Ostern, immer wieder voll. Das hält einen jung, die Verbindungen mit den jungen Leuten.
Wie beschäftigt Sie die Frage nach dem Tod?
Vogl: Je älter man wird, umso mehr setzt man sich damit auseinander. Diese Gedanken kommen schon. Das ist auch ein tröstlicher Gedanke, dass man nicht so in die Finsternis hineinkommt und alles aus ist. Der Glaube an eine Zukunft im Jenseits ist erfreulich und stärkt mich schon. «
Zur Person
Eva Vogl (97) ist seit über 70 Jahren in der Kirche engagiert. Einmal im Jahr predigt sie beim Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung. In jungen Jahren hat sie in die Fabrikantenfamilie Vogl in Mattighofen geheiratet. Deren Lederfabrik musste 2013 endgültig schließen.
Die Fünffachmutter hat 16 Enkelkinder und 27 Urenkelkinder.
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