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J. war ein zartes Kind. Das hat seinen vom Krieg traumatisierten Vater nicht davon abgehalten, ihn grausam zu misshandeln. Nach der Trennung der Eltern kümmerte sich J. um seine Geschwister, wenn die Mutter arbeiten ging. Er wärmte Essen, flocht Zöpfe, prüfte Hausübungen und bewahrte einmal seine Schwester vor dem Ertrinken. J. schloss die Schule ab und lernte einen Beruf in der damaligen Voestalpine in Linz. Er heiratete, seine Frau blieb bei den Kindern – sie sollten eine bessere Kindheit haben. Die Jahre vergingen, die Arbeit stand an erster Stelle, manchmal auch der Alkohol. Für seine Frau blieb keine Zeit. Dann ging die „Familiensache“, wie J. es nennt, „total kaputt“. Damit verlor er den Halt in seinem Leben. Im Hartlauerhof der Caritas, einem Wohnprojekt für wohnungslose Männer in Asten, fand er wieder eine Gemeinschaft.
„Ich habe Respekt vor seinem Überlebenswillen“, sagt Ulrich Volmer. Der ehemalige Leiter des Hartlauerhofes hat J. und zwölf weitere Männer zu ihren Lebenswegen befragt und diese jeweils unter dem Anfangsbuchstaben des Vornamens anonymisiert aufgezeichnet. Die Lebensgeschichten sind in dem Buch „Der Wurm ist ein Hund“ nachzulesen. Die meisten verbindet, dass sie in Armut begonnen haben; dass der Versuch, die Armut zu überwinden und Geborgenheit in einer eigenen Familie zu finden, zuerst gelang – und dann nicht mehr. Lebenskrisen führten zum Verlust von Familie, Arbeitsplatz und Wohnung. „Beim Anblick eines sogenannten gescheiterten Menschen kommen Vorurteile wie ‚versoffen, dreckig, disziplinlos‘“, sagt Ulrich Volmer. Er will ein „realitätsnäheres“ Bild von Menschen am Rand der Gesellschaft zeichnen – und vor Augen führen, dass diese nicht „die gescheiterten anderen“ sind: Denn jedes Leben stehe trotz aller Tüchtigkeit und möglicher Chancen stets auf der Kippe. Die Menschen am Rand erlebten Kränkung, Rückzug, Vereinsamung, eine fehlende Verwurzelung und Beheimatung, sagt Ulrich Volmer. „Anteile davon kennt jeder Mensch.“ Mit dem Buch will er auch gegen den Vorwurf des individuellen Versagens anschreiben. Armut wird weitervererbt. Sie bringt Stress, Überforderung und einen kurzen Bildungsweg mit sich. J. fasst es in seiner Lebensgeschichte zusammen: „Menschen aus sozial schwächeren Schichten bleiben auf der Strecke.“
Dass gerade bei ihnen wieder gespart wird, hat eine erschreckend lange Tradition: Schon Texte aus vorchristlichen Jahrhunderten – sie sind im Buch nachzulesen – berichten vom Kampf gegen Arme statt gegen Armut. «
Ulrich Volmer, Helmut Küblböck: Der Wurm ist ein Hund. Außergewöhnliche Lebensgeschichten vom Rand.
Verlag am Sipbach 2018, 319 S., € 24,20.
Die Autoren stehen gerne für Lesungen zur Verfügung. Kontakt über die KirchenZeitung, Tel. 0732 76 10-39 55
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