Wort zum Sonntag
Bischof Paride Taban kommen vor Lachen die Tränen, wenn er von seinem vorzeitigen Rücktritt als Bischof seiner Diözese Tarit im Südsudan erzählt. 68 Jahre war er alt, als er nach Rom fuhr und sein Leitungsamt niederlegte – sieben Jahre vor Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren. Die römischen Monsignori schickten ihn zur Untersuchung in eine psychiatrische Klinik. Die Ärzte ließen den vatikanischen Behörden ausrichten, dass der Bischof psychisch völlig gesund sei.
Er durfte gehen, um sich ganz der Berufung zu widmen, die im Laufe der Zeit in ihm gereift war: der Gründung eines Friedensdorfs. Vierzehn Jahre sind seit dem Rücktritt vergangen und das „Heilige Dreifaltigkeit Friedensdorf“ Kuron wächst und wächst. Er ging zu den Ärmsten, nahe der äthiopischen Grenze, eine Region ohne Straße, Schule, Gesundheitstation. Die Stämme lebten dort jahrhundertelang von Viehzucht und Viehdiebstall – bis heute noch. Zumindest die Männer. Sie sind stolz auf ihre Herden, verbringen ihre Zeit mit dem Bewachen des Viehs, sitzen den lieben langen Tag im Schatten der Bäume und warten, bis jemand versucht, Tiere zu stehlen, schildert der Bischof sarkastisch den Tagesablauf des vermeintlich starken Geschlechts – während die Frauen Häuser bauen, kochen, für die Kinder sorgen, die gesamte Last des Alltags tragen.
Die Männer betrachten die Frauen als ihr Eigentum, das sie durch die Hochzeit rechtmäßig erworben haben, bezahlt mit dem wertvollsten, das sie haben: ihren Tieren. „Wir müssen Gleichheit und Würde in die Gesellschaft bringen. Nur so können wir Frieden zwischen Mann und Frau schaffen“, erklärt Bischof Paride, der Frieden umfassender versteht als nur auf gewalttätige Auseinandersetzungen bezogen: „Friede muss jeden einzelnen Menschen und die ganze Gesellschaft durchdringen.“ Er erlebt auch, wie sehr sich alle Menschen nach diesem Leben in Frieden sehnen. Selbstverständlich spielt die Religionszugehörigkeit in Kuron keine Rolle. Christen, Muslime und Anhänger von Naturreligionen leben und arbeiten dort zusammen, und was für den Südsudan noch erstaunlicher ist: Familien aus zwanzig unterschiedlichen Stämmen.
Der 82-jährige Bischof feiert an Sonntagen in der Schule des Dorfes Eucharistie. Der Gottesdienst ist nicht nur für Katholiken anziehend. Er versucht nicht zu bekehren, sondern ganz schlicht das Wort Gottes auszulegen: „Ich sage ihnen, dass sie alle Kinder Gottes sind, dass vor Gott alle gleich sind. Das macht die Leute glücklich.“ Verständlich, dass die Mädchen und Frauen für die Botschaft des Evangeliums besonders offen sind. Etwa zehntausend Einwohner/innen zählt Kuron inzwischen, rund 50.000 Menschen aus der Umgebung profitieren bereits davon.
Im Südsudan geht es aber nicht nur um eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung, um eine Basis für das friedliche Zusammenleben zu schaffen. Die Ur-Katastrophe des Landes sind die bewaffneten Konflikte. Nach Jahrzehnten der Kämpfe um die Unabhängigkeit mit der Zentralregierung in Khartum erlangte der Südsudan 2011 die Selbstständigkeit. Die Freude währte nur kurz. Zwei Jahre später fingen die Stämme des jungen Staates an, sich untereinander zu bekriegen. Das Land gilt in den Augen der internationalen Organisationen inzwischen als „gescheiterter Staat.“ „Die Wurzel allen Übels ist der Kampf um die Macht der Stämme und ihrer Führer“, erklärt Bischof Paride: „Das Stammessystem tötet. Sie streiten nur um Ministerposten, sie sprechen nie über die Menschen.“ Dabei können viele der Generäle und der gewalttätigen Elite des Landes kaum ihren eigenen Namen schreiben.
Bischof Paride freut sich, dass das Friedensdorf Kuron von verfeindeten Stämmen aus dem ganzen Land aufgesucht wird. Gerne stellt er sich als Vermittler zur Verfügung. Um diese Arbeit intensivieren zu können, wäre ein Gästehaus notwendig. Dafür bittet er auch bei seinem aktuellen Besuch in Europa um Unterstützung.
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