Wort zum Sonntag
Es ist keine übliche Aufgabe für die Insassinnen des Frauengefängnisses Giudecca in Venedig. Seit einem halben Jahr bereiteten sich 80 weibliche Häftlinge darauf vor, der Außenwelt Tür und Tor zu öffnen.
Am Samstag war es so weit. Vier von ihnen gaben die ersten Führungen durch das Gefängnis, das der Vatikan als Ausstellungsort für Werke von acht Künstlerinnen und Künstlern ausgewählt hatte. Anlass ist die Kunstbiennale, die alle zwei Jahre in Venedig stattfindet. Die 60. Kunstbiennale ist von 20. April bis 24. November 2024 unter dem Titel „Fremde überall“ zu sehen.
Die Schau im Frauengefängnis heißt „Mit meinen Augen“. Mit der Wahl des Ortes will der Vatikan eine Kultur der Begegnung fördern und die Lebenslage von Ausgegrenzten ins Zentrum rücken – eines von Franziskusʼ zentralen Anliegen. Als erster Papst wird er die Biennale besuchen. Die Frauen erwarten Franziskus am 28. April.
Ein Rundgang im Gefängnis ist kein Ausstellungsbesuch wie jeder andere: Bei einem Sicherheitscheck am Eingang müssen die Besucher:innen Ausweis und Handy abgeben. „Wann tun wir das überhaupt noch, uns etwas einfach so anzusehen, ohne Handys in der Hand, nur mit unseren Augen und unseren Herzen?“, bemerkt eine Kurationsassistentin.
Insassin Silvia umreißt die Geschichte des Ortes: Das ehemalige Benediktinerinnen-Kloster wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in ein Gefängnis umgewandelt. Im Innenhof der Haftanstalt stehen auf einer Mauer in blauen Lettern die Worte „Siamo con voi nella notte“ (deutsch: „Wir sind bei euch in der Nacht“).
Die Installation der französischen Künstlerin Claire Fontaine leuchtet im Dunkeln und ist von Graffiti aus den 1970ern inspiriert. An Wänden in verschiedenen italienischen Städten geschrieben sollten die Worte damals Solidarität mit politischen Gefangenen ausdrücken. Der Satz lasse sie sich beschützt und begleitet fühlen, sagt Insassin Paola.
Immer wieder kommt es zu emotionalen Momenten. So im Besucherraum des Gefängnisses, den Paola „Raum der Freiheit“ nennt. Er sei ihr Lieblingsraum, wo sie glücklich sei, weil sie hier ihr Kind und ihre Familie wiedersehe. Giulia widerspricht: Für sie und manche andere sei es das Gegenteil. Etwa für die, die niemand besuchen käme oder die unter den Abschieden litten.
- 8 Uhr Ankunft auf dem Hubschrauber-Landeplatz des Frauengefängnisses
- Begegnung mit Insassinen
- Abfahrt von der Insel Giudecca
- Begegnung mit Jugendlichen
- 11 Uhr Messe auf dem Markusplatz
- Privater Besuch im Markusdom
- 12.30 Abfahrt und Abflug nach Rom
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